Mai 2024 – Ausgabe 43

Roboterassistierte Knieendoprothetik mit anatomischer Alignmenttechnik

Prof. Dr. med. Patrick Weber
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Prof. Dr. med. Hans Gollwitzer
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Schlüsselwörter: Knieendoprothetik, Roboterassistenz, Alignment

Durch die Alignmenttechnik, bei der die natürliche Beinachse rekonstruiert wird, steigt die Zufriedenheit der Patientinnen und Patienten mit ihrer Knieendoprothese. Die individuelle Einstellung der Beinachse gelingt mit Roboterassistenz deutlich besser und mit geringerer Abweichung von der geplanten Achse, was zu einem subjektiv natürlicheren Kniegefühl führt und langfristig die Standzeiten der Endoprothesen weiter verbessern könnte.

Die aktuelle Bevölkerungspyramide führt dazu, dass eine weiter steigende Anzahl an Patientinnen und Patienten mit Arthrose behandelt werden muss. Nach Ausschöpfen der konservativen Therapie werden wir in den nächsten Jahren eine zunehmende Anzahl an Implantationen von Kunstgelenken an den großen Gelenken durchführen. Im Bereich der Hüftendoprothetik haben hauptsächlich Fortschritte im Bereich der Zugänge und der Implantate dazu geführt, dass die Zufriedenheit bei über 97 Prozent unserer Patientinnen und Patienten liegt und die Standzeiten der Endoprothesen durch das hochvernetzte Polyethylen deutlich verlängert wurden.

Alignmenttechniken

Die Zufriedenheit bei den Patientinnen und Patienten nach Implantation einer Knietotalendoprothese liegt hingegen weiterhin nur bei 85 Prozent. Etwa 15 Prozent der Patientinnen und Patienten sind also mit ihrem implantierten Kunstgelenk nicht zufrieden. Hier spielen viele Faktoren eine Rolle: Unter anderem ist die Biomechanik des Kniegelenks komplex, die Indikationsstellung ist schwieriger, die Erwartungshaltung des Patienten oder der Patientin darf nicht zu hoch sein. In den letzten Jahren hat sich jedoch gezeigt, dass die Ausrichtung der Knieendoprothese einen erheblichen Einfluss auf die Ergebnisse hat. Im Rahmen des kinematischen Alignments oder des funktionellen Alignments wird die individuelle Anatomie der Patientinnen und Patienten berücksichtigt und – unter Korrektur von pathologischen Deformitäten – wiederhergestellt. So wird bei der Implantation der Endoprothese die Beinachse nicht in ein komplett gerades Bein gezwungen, sondern, z. B. bei einer fortgeschrittenen Varusgonarthrose, eine gewisse O-Bein-Stellung belassen und auch die ursprüngliche Neigung der Gelenklinie rekonstruiert, damit sich das Knie natürlich anfühlt. Durch diese Alignmenttechnik ist die Zufriedenheit der Patientinnen und Patienten im Vergleich zum konventionellen mechanischen Alignment, bei dem jedes Bein unabhängig von der vorliegenden Anatomie mit einer geraden Beinachse implantiert wird, deutlich besser geworden.

Es ist aber für die Operierenden schwieriger, eine individuelle Beinachse von beispielsweise 3 oder 4 Grad varus als eine gerade Beinachse einzustellen. Solange die Knieendoprothese mit einem Winkel von 90 Grad im Vergleich zur femoralen oder tibialen Achse implantiert wird, ist dies durch intra- oder extramedulläre Ausrichtungsstäbe relativ gut zu erreichen. Dennoch zeigen Studien, dass etwa 25 Prozent der Implantate bei dieser mechanischen Ausrichtung (90 Grad zur Achse) mehr als 3 Grad von der geplanten Achse abweichen. Wird bei einem individuellen Alignment eine Restdeformität von 4 Grad angestrebt, so können ungewollte weitere Abweichungen zu Fehlstellungen des Beines führen, welche möglicherweise mit einer erhöhten Lockerungsrate einhergehen. Gerade zur individuellen Implantation einer Knieendoprothese können daher moderne Techniken, wie beispielsweise die Roboterassistenz, dabei unterstützen, die Präzision und damit auch die Ergebnisse sowie die Patientensicherheit weiter zu verbessern.

Es gibt mittlerweile weltweit ca. sieben verschiedene Roboter-Assistenz-Systeme, die sich aber erheblich voneinander unterscheiden. Das von uns verwendete Mako Smart® Robotics System ist mit mehreren Weiterentwicklungen und Aktualisierungen seit über 15 Jahren auf dem Markt und mit Abstand am längsten im klinischen Einsatz erprobt. Mit weltweit über einer Million Implantationen von Knieendoprothesen besteht eine große Erfahrung mit diesem System (Abb. 1).

Operationsablauf

Das Mako System kann zur Implantation einer bikondylären Oberflächenersatzprothese, einer medialen oder lateralen Schlittenprothese oder auch eines retropatellaren Gleitflächenersatzes verwendet werden. In Vorbereitung auf die Operation erfolgt eine Computertomografie des Kniegelenks sowie der angrenzenden Hüft- und Sprunggelenke. Dadurch wird präoperativ bereits ein 3-D-Modell erstellt. Auf diese Weise entsteht eine Art 3-D-Landkarte der individuellen Anatomie samt Zielmarken, die die Operierenden während des Eingriffs auf einem Bildschirm sehen. Anhand dieses Modells erstellen wir einen vorläufigen Plan, wie das größenmäßig passende Knieimplantat am besten auf die Knochenoberfläche aufzubringen ist.

Der zweite Schritt erfolgt während der Operation. Hier wird das dreidimensionale Kniemodell auf das reale Kniegelenk übertragen. Dabei werden zum einen am Femur wie auch an der Tibia Sender angebracht, welche durch eine Infrarotkamera erkannt werden können, zum anderen wird die Oberfläche des Kniegelenks mithilfe eines feinen Tastinstruments genau erfasst. Erst wenn eine Übereinstimmung mit einer Abweichung von weniger als 0,5 mm erreicht wird, wird die Operation fortgesetzt.

In einem dritten Schritt wird nach Entfernung sämtlicher Osteophyten die Spannung der Bänder des Kniegelenkes sowie der Kapsel und des umgebenden Weichteilmantels erfasst. Dies erlaubt eine sehr genaue Analyse der Kniegelenksfunktion. Danach erfolgt eine weitere Planungsanpassung, um eine optimale Implantatausrichtung sowohl in Bezug auf den Knochen als auch auf die Weichteilspannung zu erreichen. Der elementare Unterschied zur konventionellen Technik besteht darin, dass das Ergebnis bereits vor der Durchführung der Knochenschnitte vorausgesagt und optimiert werden kann. Die Implantatausrichtung erfolgt also unter Beachtung der individuellen Anatomie der Patientinnen und Patienten und der Bandspannung (Abb. 2, 3). Diese Faktoren sind entscheidend für die gut funktionierende Knieendoprothese.

Der letzte wesentliche Schritt der robotik-assistierten Chirurgie ist die hoch präzise Durchführung der Knochenpräparation, um die Teile des künstlichen Kniegelenkes exakt an den Knochen mit der korrekten Bandspannung anzupassen. Basierend auf der vorher angefertigten Planung erfolgen die Knochenschnitte mithilfe des Roboterarms (Abb. 1). Versucht man, bei der Operation zu weit oder zu tief zu fräsen, zu sägen oder zu bohren und über definierte Grenzen hinauszugehen, stoppt das System sofort. Denn der Roboterarm kennt auch in den schlecht sichtbaren Bereichen des Kniegelenks die Grenzen des Knochens genau. Eine Weichteilschädigung wird somit vermieden.

Die Operationszeit unter Verwendung der Mako Roboterassistenz ist bei einer bikondylären Oberflächenersatzprothese circa 10 Minuten länger im Vergleich zum konventionellen System, beim unikondylären System nur wenige Minuten.

Ergebnisse

In den letzten Jahren konnten viele Studien zeigen, dass durch die Verwendung des Mako Smart® Robotics Systems eine hochpräzise Implantation mit Abweichungen von maximal 2 Grad (durchschnittlich unter einem Grad) erreicht wird (Abb. 4). In den australischen Registerstudien wird seit vielen Jahren die Verwendung von Robotersystemen dokumentiert. Bei den unikondylären Endoprothesen findet die Robotik mittlerweile bei 35 Prozent der Implantationen Verwendung. Bei einer Umfrage unter den Teilnehmenden des letzten Kongresses der amerikanischen Gesellschaft für Hüft- und Kniechirurgie gaben 53 Prozent an, dass sie eine Form der Robotik bei der Implantation von Knieendoprothesen verwenden.

Im australischen Register zeigt sich bei den unikondylären Schlittenendoprothesen nach einer Nachbeobachtungszeit von sechs Jahren eine geringere Revisionsrate der robotik-assistierten Schlittenprothese von 4,4 Prozent versus 6,2 Prozent bei den konventionell implantierten. Im Deutschen Endoprothesenregister, in dem noch keine Unterscheidung zwischen robotik-assistierter und konventioneller Implantation erfolgt, ist die Revisionsrate von unikondylären Schlittenprothesen höher und liegt nach sechs Jahren bei 7,5 Prozent. Die Anzahl an Robotersystemen war zu dem Zeitpunkt noch gering und dürfte aktuell auch nur im unteren einstelligen Prozentbereich liegen. Auch bei den Totalendoprothesen zeigen sich im australischen Register Unterschiede, die Revisionsrate liegt für konventionell implantierte Knietotalendoprothesen nach vier Jahren bei 2,6 Prozent, für die roboterassistierten bei 2,1 Prozent. Dieser Unterschied ist zwar nur gering, wenn man aber die Infektionen herausrechnet, welche für beide Verfahren ca. ein Prozent ausmachen, ist der Unterschied aber immerhin bemerkenswert.

Fazit

Das hier vorgestellte Roboterassistenzsystem zeigt eine hohe Präzision bei der Implantation von Knieendoprothesen unter Beachtung der individuellen Anatomie der Patientinnen und Patienten. Da die Standzeiten der konventionell implantierten Endoprothesen gut sind, ist es schwierig, einen Unterschied durch die Verwendung robotik-assistierter Systeme nachzuweisen. Dennoch mehren sich die Studien, welche eine Verbesserung der Standzeiten und der Ergebnisse unter Verwendung von anatomischen Alignmentstrategien nachweisen. Dies sollte auch in Deutschland dazu ermutigen, die Systeme weiter zu etablieren.

Roboterassistenzsysteme in den ATOS Kliniken: mit Präzision in die Zukunft

Die Implantation von Knieendoprothesen durch Robotik-Assistenzsysteme hat mehrere Vorteile, insbesondere eine erhöhte operative Präzision mit minimaler Abweichung von den Planungsdaten hinsichtlich der individuellen Ausrichtung der Beinachse sowie eine verbesserte Erfassung und Wiederherstellung der Bandspannung. Beides zusammen ergibt für die Patientinnen und Patienten ein verbessertes, „natürlicheres“ Kniegefühl mit ihrem Kunstgelenk.

An bisher drei ATOS Kliniken werden Robotik-Assistenzsysteme eingesetzt: in der ATOS Klinik Heidelberg (seit 2021, Knie und Hüfte), in der ATOS Klinik München (seit 2022) und in der ATOS Klinik Braunfels (seit 2023). In Heidelberg und München wird das MakoSmart Robotics® System der Fa. Stryker verwendet, in Braunfels kommt das ROSA® Knee System der Fa. Zimmer Biomet zum Einsatz.