Oktober 2023 – Ausgabe 42

Konservative Therapie von Rückenschmerzen bei älteren Patientinnen und Patienten mit dem Sechs-Stufen-Modell

Walter

Dr. Willibald Walter

Schlüsselwörter: Rückenschmerzen, multimodale konservative Therapie, Sechs-Stufen-Modell

Gerade bei älteren Patientinnen und Patienten mit akuten oder chronischen Rückenschmerzen mit oder ohne Radikulopathien ist das Ausschöpfen aller konservativer, therapeutischer Maßnahmen absolut unumgänglich. Damit lassen sich bis zu 80 Prozent der „Rückenoperationen“ vermeiden. Über 30 Jahre Erfahrung mit über 100.000 Patientinnen und Patienten lassen diesen Rückschluss zu. Die Einnahme vieler Tabletten, organische Probleme, blutverdünnende Medikamente (um nur einige wenige Dinge zu nennen) können eine Operation erschweren oder unmöglich machen.

Je älter der Patient oder die Patientin, desto häufiger treten Rückenschmerzen mit oder ohne Ausstrahlung in die unteren Extremitäten auf. Gelegentlich gesellen sich Kribbeln bis hin zu Taubheiten oder sogar motorische Schwächen hinzu. Die Gehstrecke reduziert sich immer mehr, das Aufstehen wird zur Qual, selbst langes Sitzen oder Stehen werden zunehmend unangenehmer. Sehr häufig erfolgt dann die Ernüchterung beim Arztbesuch, dass es entweder kaum entsprechende Therapieoptionen gibt oder – wenn überhaupt – nur durch eine Operation (z. B. Weitung des Nervenkanals oder Versteifungsoperation) eine Linderung der Symptomatik zu erreichen ist.

Studien zeigen, dass es keinen Zusammenhang zwischen Schmerzintensität und Verschleiß an der Wirbelsäule gibt. Ein Mensch, dessen Röntgenbild nur eine geringe Abnutzung aufweist, kann unter Umständen mehr leiden als jemand, der sehr deutliche Degenerationen hat. Unserer Meinung nach muss die Anatomie nicht grundsätzlich verändert werden. Degenerationen laufen über Monate, Jahre, ja sogar Jahrzehnte ab, aber der Patient bzw. die Patientin klagt bei Weitem nicht so lange über Beschwerden. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass der Körper diese Degenerationen sehr lange kompensiert hat, und zu diesem Ausgangspunkt kehren wir wieder zurück.

Das geniale System der Wirbelsäule ist sehr anpassungsfähig und kann degenerative Veränderungen bis ins hohe Alter erstaunlich gut kompensieren; ganz viele Befunde in durchgeführten MRTs erweisen sich als Zufallsbefunde, die im Prinzip asymptomatisch sind und erst in einem finalen Stadium Beschwerden bereiten. Nicht jeder Bandscheibenvorfall macht zum Beispiel Schmerzen. Durch Studien lässt sich belegen, dass der Outcome bei einem symptomatischen Bandscheibenvorfall nach einem Jahr gleich ist, unabhängig davon, ob die Therapie operativ oder konservativ erfolgte. Der Rücken hat, wenn man ihm genug Zeit gibt und das richtige, auf die persönlichen Beschwerden abgestimmte Therapiekonzept findet, eine hohe Selbstheilungskompetenz.

Die Schmerzverarbeitung ist ein komplexer und subjektiver Prozess, wie die neuesten Erkenntnisse der Schmerzforschung belegen. Ein rein mechanischer Heilungsansatz allein wird dem Problem daher oft nicht gerecht. Es wird oft vergessen, dass bereits drei Monate Schmerzen zu einer Aktivierung des Schmerzgegächtnisses führen und dieses logischerweise nicht „wegoperiert“ werden kann.

Gerade der Rückenschmerz ist im Prinzip multifaktoriell. Genetik, Traumata, Fehlstellungen, Schon- und/oder Fehlhaltungen, aber auch beruflicher oder privater Stress oder bereits stattgehabte rezidivierende Schmerzsyndrome können final zu Schmerzen führen. Ein multifaktoriell bedingtes Problem muss demnach auch ein multimodales Therapieprogramm zur Folge haben.

Deshalb haben wir schon vor vielen Jahren einen Paradigmenwechsel vollzogen, weg von einer rein mechanischen Betrachtungsweise hin zu einem ganzheitlichen Blick auf das komplexe Schmerzgeschehen. Im Rahmen dessen haben wir ein Sechs-Stufen-Modell der konservativen Therapie entwickelt, das ambulant durchgeführt werden kann (Abb. 1).

Abb. 1: Das Sechs-Stufen-Modell der Schmerztherapie

Gesprächstherapeutische Elemente lassen sich in jeder Stufe hinzuziehen.

Stufe1:
Sanfte Therapieformen

Physiotherapie, Manualtherapie, TCM, MKT-Kräftigungstherapie, Einlagenversorgung aufgrund einer vierdimensionalen Statikvermessung von C1 bis inklusive Fuß in Verbindung mit einer Ganganalyse.

Rückenschmerz ist ein Signal für eine Verspannung. Die Muskulatur ist an der schmerzenden Stelle zu schwach und neigt dazu, einen zu hohen Tonus aufzubauen, um die Belastungen, die auf den Rücken einwirken, abzufangen. Die betroffenen Muskeln versuchen, die einseitige Belastung mit einem höheren Spannungsgrad auszugleichen. Nimmt jedoch die äußere Spannung zu, schaffen sie das irgendwann nicht mehr. Erschwerend kommt hinzu, dass es Muskelgruppen gibt, die dazu neigen, viel Spannung aufzubauen. Dazu zählen besonders Problemzonen wie Schulter- und Nackenmuskulatur, der Rückenstrecker im Lendenbereich und die Muskeln unterhalb des Schulterblatts. Weil die natürliche Selbsthilfemaßnahme „Kompensation“ bei einem untrainierten Muskel leider nicht gelingt, baut sich immer mehr Spannung auf. Die Folge: Schmerzen.

Diese Negativspirale muss durchbrochen werden und dafür sind o. a. Maßnahmen im Anfangsstadium des Schmerzes idealerweise geeignet. Entscheidend für den Erfolg ist aber eine nachhaltige Therapie. Ein Schmerz, der sich über Jahre oder Jahrzehnte entwickelt hat, kann nicht mit wenigen Einheiten beseitigt oder reduziert werden. Unserer Erfahrung nach sollte mindestens ein- bis zweimal wöchentlich zunächst eine detonisierende/mobilisierende Physiotherapie durchgeführt und auf Kraft- und Gerätetraining verzichtet werden. Zudem halten wir die Patientinnen und Patienten an, ebenso die vom Physiotherapeuten gezeigten Übungen zwei- bis dreimal wöchentlich in Eigenregie durchzuführen.

Wir kommunizieren sehr engmaschig mit den Therapeuten und empfehlen auch eine Foto- oder Videodokumentation der gezeigten Übungen, sodass es für die Patientinnen und Patienten einfach ist, die Übungen überall durchzuführen.

In einem zweiten Schritt erfolgt dann eine gezielte Kräftigung der Muskulatur. Vor Therapiebeginn wird die Patientinnen und Patienten einer Elektromyographie unterzogen; dabei kann die Muskelkraft im oberflächlichen Bereich gemessen werden. Aus orthopädischer Sicht lassen sich so Rückschlüsse auf die Funktion des Muskels selbst ziehen.

Eine rein lokale Kräftigungstherapie ist nicht ausreichend, es sollten immer die größeren Nachbargelenke mitbehandelt werden, da der Mensch per se eine funktionelle Kette darstellt. Dabei können Fußfehlstellungen auch Auswirkungen, z. B. auf die Beweglichkeit der Halswirbelsäule, haben. Gibt der Patient bzw. die Patientin zusätzlich Stress an, empfehlen wir die Akupunktur. Die alleinige Wirkung der Akupunkturbehandlung ist umstritten, wir haben jedoch mit Akupunkturanwendungen zusätzlich sehr gute Ergebnisse gemacht. Die allgemeine Patientenzufriedenheit und die Verträglichkeit werden als hoch eingestuft.

Schließlich führen wir bei fast allen Patientinnen und Patienten eine vierdimensionale Wirbelsäulenvermessung inklusive Pedographie durch. Dabei handelt es sich um eine schnelle, berührungslose und hochauflösende optische Vermessung des menschlichen Rückens und der Wirbelsäule. Das Verfahren ist strahlenfrei und damit auch perfekt geeignet zur Verlaufskontrolle nach erfolgter Therapie. Das Prinzip ist die Analyse der Statik, ebenso von Abweichungen der normalen Beckenstellungen und Skoliosen. Konsekutiv erforderliche sensomotorische Einlagen runden die Diagnostik und Therapie der sanften Methode (1. Stufe) ab.

Sicherlich ist jede Form der Therapie für sich selbst bereits sinnvoll, das Zusammenspiel aller Möglichkeiten führt bereits zu einer exponentiellen Besserung der Beschwerdesymptomatik.

Wir führen diese Schritte nicht grundsätzlich bei allen Patientinnen und Patienten durch, sondern die Basis ist zunächst eine ausführliche Anamneseerhebung und klinische Untersuchung (zusammen mindestens 40 Minuten) durch einen unserer Wirbelsäulenspezialisten.

Stufe 2:
Orale Schmerzindikation und/oder Schmerzmittelinfusionen

Die Gabe von Schmerzmitteln oral oder als Infusionen erfolgt bei uns absolut individuell. Prinzipiell sind wir der Meinung, dass Schmerzmittel vorübergehend sinnvoll sind, jedoch die langfristige Anwendung sorgfältig erarbeitet werden muss. Bei der Empfehlung von Schmerzmitteln muss aber immer auf entsprechende Kontraindikationen geachtet und auf mögliche Nebenwirkungen hingewiesen werden. Bei uns kommen folgende Substanzen zum Einsatz: nichtsteroidale Antirheumatika wie z. B. Diclofenac, Ibuprofen, Etoricoxib, Nichtopioid-Analgetika wie z. B. Metamizol oder Paracetamol, in sehr seltenen Fällen auch (semi-)synthetische Opioide wie Tilidin, Oxycodon oder Naloxon. Bei hochakuten Schmerzen verabreichen wir aber auch Metamizol als Schmerzinfusion. Diese können auch über mehrere Tage gegeben werden. Ich rate den Patientinnen und Patienten zu Schmerzmitteln vor allem bei zunehmenden Schmerzspitzen oder zur Nacht, wenn der Schmerz den Schlaf nachhaltig beeinträchtigt.

Stufe 3:
BV-gesteuerte Injektion mit Medikamenten oder mit speziell konzentriertem Eigenblut

Die erste und einfachste invasive Form der Schmerztherapie sind bildwandlergestützte (C-Bogen) Injektionen.

Das Risiko einer Strahlenbelastung ist gering, wenn eine Behandlung mit der richtigen Diagnose, Ausführung und Kontrolle stattfindet. Wir kombinieren meistens verschiedene Formen der Injektionen. Basis ist stets die angegebene Schmerzsymptomatik. Wir unterteilen dabei nervennahe von nervenfernen Injektionen. Nervenfern sind die Injektion von Facettengelenken, Sakroiliakalgelenken oder Injektionen bei Morbus Baastrup. Nervennahe Injektionen können periradikulär oder transforaminal sein; hierbei wird das Medikament um den Nerv herum außerhalb des Nervenkanals injiziert, wohingegen bei kaudal-epiduralen oder lumbalepiduralen Umflutungen der Nerv direkt im Nervenkanal umspült wird. Dabei bieten die Wirbelsäule und ihre Strukturen sehr oft auch die Möglichkeit, o. g. Injektionen in der Kombination durchzuführen (z. B. lumbal-epidural plus Facettengelenke). Es ist extrem selten, dass im Alter nur eine anatomische Struktur zum Schmerz beiträgt. Ursachen können z. B. Veränderungen der Facettengelenke oder Sakroiliakalgelenke sein, ferner Einengungen an den Nervenaustrittsstellen oder im Nervenkanal (z. B. degenerativer spinaler Engpass, Bandscheibenvorfälle, -vorwölbungen, Wirbelgleiten, Facettengelenkszysten usw.), aber auch nur muskuläre Verspannungen.

Bei den Injektionen verwenden wir in erster Linie spezielles Eigenblut, traditionelle Medikamente (z. B. Actovegin®, Kälberbluthämodialysat), bei stärkeren Schmerzen anfangs aber auch Schmerzmittel. Was wir verwenden, wird mit den Patientinnen und Patienten besprochen. Eine Aufklärung erfolgt obligat bei jeder Art von invasiver Therapie. Kontraindikationen werden selbstverständlich berücksichtigt. Es gibt inzwischen Eigenblutkonzentrate verschiedenster Zusammensetzungen, die je nach Indikation z. B. gegen den akuten oder chronischen Schmerz gerichtet sind. Jeder Patient bzw. jede Patientin ist dabei absolut individuell zu betrachten. Nach den Injektionen kann die Wirkung verstärkt werden durch eine entsprechende Positionierung (z. B. Oberkörpertieflagerung, Seitlagerung etc.).

Die Frage nach der Häufigkeit der Injektion wird uns nicht selten gestellt. Das Schmerzgedächtnis will nicht ab und an beruhigt werden, sondern regelmäßig; von daher führen wir diese Injektionen seriell meistens drei- bis fünfmal durch, wobei gleichzeitig die Therapieformen der 1. Stufe zum Einsatz kommen. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass zumindest zeitgleich mit schmerzdetonisierenden und mobilisierenden Techni- ken begonnen wird.

Eine Spezialform in der Behandlungsstrategie erfordert eine neurologische manifeste Symptomatik oder im fortgeschrittenen Stadium sogar eine motorische Schwäche. Hierfür arbeiten wir eng mit einem Neurologen zusammen, denn im Prinzip darf eine OP-Indikation unserer Meinung nach ausschließlich vom Neurologen oder vom Patienten bzw. der Patientin selber gestellt werden. Dabei ist eine neurologische Untersuchung lediglich eine Statusbestimmung. Von daher starten wir engmaschig seriell mit Injektionen oder einer interventionellen Schmerztherapie (siehe Stufe 4.) und lassen eine neurologische Kontrolluntersuchung nach drei bis vier Therapien durchführen, um den Verlauf der Problematik zu dokumentieren. Ein Großteil der neurologischen Symptome bessert sich; damit ist die Dringlichkeit einer operativen Versorgung zu negieren. Ganz wichtig in diesem Fall ist die direkte Kommunikation mit dem Neurologen und dem Physiotherapeuten.

Stufe 4:
Interventionelle Schmerztherapie

(Epiduralkatheter, Thermodenervierung der Facettengelenke/Verödung, Bandscheibenaugmentation über die intradiskale Augmentation von Hydrogelsticks, intradiskale Lasertherapie)

Die nächste Stufe ist die interventionelle Schmerztherapie. Auch diese wird ambulant durchgeführt unter Lokalanästhesie und bedarf keiner tiefen Narkose. All diese Verfahren haben nahezu keine Komplikationen im Gegensatz zu den verschiedensten operativen Versorgungen.

Das Entscheidende für ein erfolgreiches Gelingen ist die Indikationsstellung. Sie erfolgt in vorherigen Schritten über selektive BV-gesteuerte Injektionen oder im Ausschlussverfahren. Unserer Meinung nach sind diese Verfahren mit einer sehr hohen Erfolgsquote verbunden.

Bei stärksten Schmerzen mit Ausstrahlungen und/oder neurologischen Symptomen hat sich ein Epiduralkatheter über mehrere Tage bewährt. Über den Katheter werden Medikamente injiziert, die das Gewebe schrumpfen lassen, das gereizte Nerven bedrängt. So kommt es bereits am nächsten Tag des Eingriffes zu einer deutlichen Schmerzlinderung. Ohne offene Operation kann man so die häufigsten Ursachen für Rückenschmerzen wirksam und dauerhaft bekämpfen. Der Eingriff ist minimalinvasiv, einmalig und der Katheter verbleibt zwischen drei und fünf Tage. Es finden täglich zwei Bestückungen über einen steril außen an der Haut befestigten Bakterienfilter statt. Dieser Katheter wird über das Steißbein eingebracht und unter Kontrolle eines Bildwandlers bis in den lumbal epiduralen Bereich vorgeschoben.

Bei reinen Rückenbeschwerden ohne Ausstrahlung hat sich dagegen die Thermodenervierung bewährt. Voraussetzung ist eine ein- oder zweimalige selektive Austestung, ob der Schmerz von den Facettengelenken oder vom Sakroiliakalgelenk ausgeht. Gibt der Patient bzw. die Patientin nach der Injektion eine deutliche Besserung an, auch nur temporär für Stunden, ist die Hitzetherapie sehr wahrscheinlich erfolgreich und hält bis zu drei Jahre an. Dabei werden bei 60 °C kleinste Nerven durchtrennt, um die Schmerzkette zu durchbrechen. Das Verfahren ist für die Patientinnen und Patienten risikoarm und wenig belastend. Durch die Verwendung eines Bildwandlers und einer Kontrolle in zwei Ebenen ist es zudem absolut sicher. Die Verödung zweier Facettengelenke dauert ungefähr zehn Minuten.

Bei den nächsten Verfahren, die wir anwenden, basiert die Indikationsstellung zunächst auf dem Ausschluss, dass es sich um einen Schmerz handelt, der direkt von der Bandscheibe ausgeht. Das erfordert zunächst mehrere Injektionen außerhalb der Bandscheibe, auf die der Patient bzw. die Patientin nicht mit einer Schmerzlinderung reagiert. Eine intradiskale Schmerzmittelinjektion mit Auslösung des Schmerzes (Memory Pain) bestätigt dann die Diagnose. Es werden dann ebenfalls unter Bildwandler kleinste Hydrogelsticks in die Bandscheibe eingebracht, die durch Kontakt mit dem Wasser in der Bandscheibe bis zum 15-Fachen ihrer ursprünglichen Größe aufquellen, um die Stoßdämpferfunktion der geschädigten Bandscheibe zu übernehmen und den pH-Wert der Bandscheibe wieder zu neutralisieren (Abb. 2a-d). Nach einer Liegezeit von einer Stunde nach der Intervention darf der Patient bzw. die Patientin die Praxis bereits verlassen.

Ein anderer Ansatz der intradiskalen Schmerztherapie ist die PLSV (Perkutane Laser-Schmerzrezeptor-Verödung) bzw. die PLDD (Perkutane Laser Disk-Dekompression). Mithilfe eines Dioden-Lasers wird dabei über die thermische Wirkung des Laserlichts einerseits eine Größenreduktion und Druckentlastung des Bandscheibenkerns durch Verdampfen des gallertigen Bandscheibengewebes erzielt und andererseits mit dem gleichzeitigen Veröden der in das Bandscheibenfach sekundär eingewachsenen schmerzhaften Nerven eine Schmerzreduktion bewirkt.

Alle Verfahren sind in den Händen von Spezialistinnen und Spezialisten nahezu komplikationsfrei, ambulant durchführbar und in der Regel stets wiederholbar.

Stufe 5:
Komplettierung der multimodalen Schmerztherapie durch Hinzuziehen von Gesprächstherapien

Schmerz macht Stress und Stress macht noch mehr Schmerz – ein leidiger Zyklus mit negativer Spirale. Persistente Schmerzen, der wachsende Druck, die Überforderung in vielen Arbeits- und Lebenssituationen, der anhaltende Stress (Schmerz, emotional, privat) sind negative Ursachen zur Schmerzverstärkung. Somit haben wir neben der anatomischen Stellschraube auch eine psychische, die unabhängig vom Alter des Patienten bzw. der Patientin definitiv nicht unterschätzt werden darf. Auch im fortgeschrittenen Alter ist die Psyche ein ganz wesentlicher Faktor beim Thema akuter/chronischer/persistenter/ progredienter Schmerz. Die Wirbelsäule ist die zentrale Verbindung vom Nervensystem in die einzelnen Teile unseres Körpers. Stress und Anspannung können ebenso zu einem erhöhten Muskeltonus führen wie mangelnde Bewegung oder eine falsche Sitzhaltung. Die daraus resultierenden Verspannungen erzeugen Schmerzen, die – wenn sie zu lange anhalten – unsere Schmerzwahrnehmung verändern.

Dagegen gelten Maßnahmen wie progressive Relaxation, autogenes Training, Meditation, Selbsthypnose und/oder Biofeedback als hervorragend.

Alle diese Elemente lassen sich unserer Erfahrung nach perfekt mit jeder der o. a. Stufen der Therapie verbinden.

Stufe 6:
Komplexe, multimodale Schmerztherapie im stationären Setting

Oftmals sind ambulante Therapien aufgrund von Schmerzen, kurzer Gehstrecke und vieler verschiedener Wege nicht effizient oder schlichtweg nicht durchführbar. Deshalb bieten wir alle diese Therapi formen in der Kombination im stationären Setting über eine bis drei Wochen an.

Neben den starken Schmerzen kommt es in der Regel auch zu einer Aggravierung eines psychischen Erschöpfungszustandes. Eine weitere Indikation zur stationären Komplextherapie ist ein Schmerz, der anhand einer visuellen Analogskala (VAS) bei mindestens 7 angegeben wird auf einer Skala von 0 (kein Schmerz) bis 10 (vernichtender Schmerz).

Wenn trotz der bis dato durchgeführten ambulanten Schmerztherapie die Schmerzsituation nicht nachhaltig gebessert werden konnte und die Arbeitsfähigkeit und Lebensqualität stark reduziert ist, ist das stationäre Setting mit mehreren Therapien täglich aus unserer Sicht unumgänglich. Dabei gilt es weiter, ein operatives Vorgehen mit allen Risiken für die Gesundheit der Patientinnen und Patienten zu vermeiden.

Fazit

Unter einer nachhaltigen konservativen Therapie und dem Ausschöpfen aller zur Verfügung stehender Möglichkeiten lassen sich 80 Prozent der Rückenoperationen vermeiden. Selbst Missempfindungen und motorische Schwächen sind meistens keine Notfallindikation zur operativen Versorgung, wenn eine regelmäßige engmaschige neurologische Mitbehandlung gewährleistet ist. Speziell für Patientinnen und Patienten mit einem erhöhten operativen Risiko ist der konservative Weg mehr als nur ein hoffnungsvolles Verfahren. Ein weiterer großer Vorteil ist, dass alle invasiven Verfahren sowohl ambulant als auch stationär durchgeführt werden können, stets wiederholbar sind und lediglich örtliche Betäubungen ausreichen.

Dr. med. Willibald Walter
Marianowicz Medizin München
w.walter@marianowicz.de