Oktober 2019 – Ausgabe 34

Schlittenprothese mit zeitgleichem vorderem Kreuzbandersatz: Indikationen und Ergebnisse

Die Kombination von vorderem Kreuzbandriss (VKB-Riss) und Meniskusschaden führt nicht selten schon um das 40. bis 50. Lebensjahr zu einseitiger schmerzhafter Kniegelenksarthrose bei gleichzeitiger Instabilität. Die Behandlung der noch jungen Patienten ist nicht einfach. Zur Implantation einer kompletten Knieprothese (TEP) sind viele Patienten noch nicht bereit, sie sind zu aktiv und das Kniegelenk ist noch „zu gut“. Die Kombination einer Schlittenprothese mit zeitgleicher Stabilisierung des Kniegelenks durch einen VKB-Ersatz kann eine gute Lösung sein, um gesunde Gelenkabschnitte möglichst lange zu erhalten und das Aktivitätsniveau und die Lebensqualität zu bewahren. Die Operation ist komplex und erfordert ein entsprechendes „Know-How“ vom Operateur.

Die meisten Patienten mit einseitiger Gelenkarthrose und Instabilität haben in der Jugend oder im jungen Erwachsenenalter einen VKB-Riss und eine Meniskusverletzung erlitten. Oft wurde das Kreuzband durch eine Kreuzbandrekonstruktion operativ behandelt und eine Teilentfernung des Meniskus durchgeführt. Meist entwickelt sich ca. 20 – 25 Jahre später aus dem Meniskusschaden eine innen- oder außenseitige Arthrose, oft ist das VKB wieder ausgelockert oder gerissen und das Knie damit wieder instabil.

Die meist erst 40 bis 50 Jahre alten Patienten leiden häufig unter Arthroseschmerzen und Instabilität und sind in ihrem Aktivitätsniveau stark eingeschränkt.Konservative Behandlungsmethoden, wie Physiotherapie, Schuhzurichtungen und Schmerzmedikamente helfen in der Anfangsphase gut, operative Methoden müssen später bei starken Beschwerden in Erwägung gezogen werden. Häufig wird ein kompletter Kniegelenksersatz (Knie-TEP) durchgeführt, da hierfür keine Kniestabilisierung durch einen Kreuzbandersatz notwendig ist. Auch ist eine komplette Knieprothese „unempfindlicher“ und hat eine etwas bessere statistische Prothesenstandzeit. Auf der anderen Seite führt die Knie-TEP aber unwiederbringlich zur Zerstörung der gesamten Gelenksoberflächen.

Aufgrund des jungen Alters der Patienten, ihrem Aktivitätsanspruch, möglicher Komplikationen und der damit verbundenen Wahrscheinlichkeit eines erforderlichen Prothesenwechsels ist eine Knieprothese vor dem 50. –   60. Lebensjahr gut abzuwägen.

Warum ist bei der Implantation der Schlittenprothese ein stabiles Knie erforderlich?

Ein innen- oder außenseitiger Teilgelenkersatz = Schlittenprothese hat eine kleinere knöcherne Auflagefläche als eine großflächige TEP. Das kann insbesondere am Schienbeinkopf bei weichen Knochenverhältnissen kritisch sein und erfordert deshalb eine gleichmäßige, möglichst ruhige zentrale Belastung der Teilprothese bei Bewegung. Bei VKB-Riss kann das Gelenkspiel durch die vordere Instabilität so groß sein, dass es zu ungünstigen und ungleichmäßigen Spitzenbelastungen auf die Prothese und damit zur Ablösung vom Knochen kommen kann. Die Lockerung der Prothese ist schmerzhaft, so dass auf eine TEP gewechselt werden muss. Deshalb ist ein stabiles VKB für die Implantation einer Schlittenprothese sehr wichtig.

Wie wird die OP durchgeführt?

Bei einer Teilprothese wird der geschädigte innenseitige oder außenseitige Gelenkabschnitt durch ein Implantat überkront – ähnlich wie bei einer Zahnkrone. Das Implantat wird durch Spezialkleber fest am Knochen verankert. Um die Instabilität bei Kreuzbandriss zu behandeln, wird zeitgleich ein VKB-Ersatz durchgeführt.

Dadurch wird das Kniegelenk stabilisiert und die Belastung auf die Teilprothese optimiert.

Rehabiliation

Die Patienten dürfen einige Tage nach der Operation bereits mit vollem Körpergewicht auftreten, der Bewegungsumfang kann ebenfalls schmerzorientiert ohne Einschränkung gesteigert werden. Unsere Erfahrungen zeigen auch, dass Patienten nach Schlittenprothese mit gleichzeitigem VKB-Ersatz etwas langsamer rehabilitieren als Patienten mit alleiniger Schlittenprothese. Meist können die Patienten nach etwa vier bis sechs Wochen wieder recht gut laufen und bewegen.

Ergebnisse nach Schlittenprothese mit Kreuzbandersatz

Sinn der Operation ist es, insbesondere jüngeren Patienten die Implantation einer Komplettprothese so lange wie möglich zu ersparen. Durch die deutlich kleineren Implantate an Ober- und Unterschenkel sind das Gelenkgefühl und der Bewegungsumfang in der Regel besser als bei einer Knie-TEP. Gerade jüngeren Patienten mit höherem Aktivitätsgrad und sportlichen Ambitionen profitieren damit von der Teilprothese. Bei zeitgleicher stabiler VBK-Rekonstruktion und gleichmäßiger Druckverteilung auf die beiden Komponenten sind die Ergebnisse im mittelfristigen Verlauf gut. Meuffels et al (KSSTA Journal, 2017) führten eine aktuelle Literaturrecherche durch und konnten 186 Patienten mit einem Alter von 44 bis 56 Jahren aus acht Studien einschließen. Das Fazit der Studie war, dass die Kombination von Schlittenprothese und VKB-Ersatz zu guten Ergebnissen führen kann. Becker et al. (KSSTA Journal, 2011) untersuchten ihre eigenen 27 Patienten nach Kombination beider Verfahren mit einem Durchschnittsalter von 44 Jahren. Auch sie berichten von guten mittelfristigen Ergebnissen. In unserem Patientenkollektiv von n= 22 (20 medial mit VKB-Ersatz, zwei lateral mit VKB-Ersatz), einem Durchschnittsalter von 58 Jahren (40 – 72 Jahre) und einem Nachuntersuchungszeitraum von bis zu sieben Jahren musste bisher kein Wechsel auf eine Komplett-Prothese durchgeführt werden. Die meisten Patienten sind sportlich wieder aktiv.

Fazit

Die Kombination von Schlittenprothese mit VKB-Ersatz ist sehr gut geeignet, die Beschwerden vieler Patienten über einen längeren Zeitraum erfolgreich zu behandeln. Damit kann die Implantation einer kompletten Knieprothese (TEP) oftmals lange herausgezögert bzw. sogar vermieden werden. Von diesem Vorgehen profitieren vor allem junge und aktive Patienten. Im Hinblick auf die zunehmende Alterserwartung und mögliche Prothesenwechsel ist das minimalinvasive Vorgehen mit wenig Knochenverlust durchaus vorteilhaft. Sollte es dennoch zur Lockerung der kleinen Prothesenkomponenten der Schlittenprothese kommen, ist ein Wechsel auf eine Komplettprothese in der Regel ohne größere Schwierigkeiten möglich. Der Operateur muss mit beiden Operations-verfahren sehr gut vertraut sein, die Auswahl der geeigneten Patienten ist für den Erfolg der Operation sehr wichtig.

Von Rainer Siebold