Mai 2023 – Ausgabe 41
Frakturbehandlung am Ellenbogen bei geriatrischen Patienten
Prof. Dr. med. Marc Schnetzke
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Dr. med. Sven Lichtenberg
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Prof. Dr. med. Markus Loew
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Schlüsselwörter: Ellenbogenfraktur, distale Humerusfraktur, Olekranonfraktur, Ellenbogenprothese
Die Versorgung von Frakturen des Ellenbogens beim geriatrischen Patienten ist aufgrund einer meist verminderten Knochenqualität, der schlechteren Weichteilverhältnisse und möglicher internistischer Begleiterkrankungen anspruchsvoll und bedarf einer differenzierten Behandlung. Die Prinzipien der vollständigen Wiederherstellung der Anatomie und Funktionalität, die beim jungen, knochengesunden Patienten gelten, treten gegenüber der Abwägung von Nutzen und Risiken in den Hintergrund. Im vorliegenden Artikel werden die häufigsten Frakturen am Ellenbogen beim geriatrischen Patienten und deren Behandlungsoptionen besprochen.
Häufigkeit und Entstehung
Frakturen des Ellenbogengelenkes weisen eine bimodale Verteilung auf: Zum einen sind junge Menschen betroffen, meist infolge hochenergetischer Traumata. Ein zweiter Altersgipfel ist bei den älteren Patienten mit Osteoporose festzustellen, klassischerweise verursacht durch einen Sturz aus dem Stand. Die häufigsten Ellenbogenfrakturen beim geriatrischen Patienten stellen die Olekranonfraktur (Abb. 1) und die distale Humerusfraktur (Abb. 2) dar. Olekranonfrakturen nehmen im Alter deutlich zu und weisen einen steilen Anstieg der Inzidenz im Alter von über 60 Jahren bei Frauen und über 80 Jahren bei Männern bis zu einer Inzidenz von 65-80 pro 100.000 Menschen auf [1]. Frakturen des distalen Humerus treten insgesamt seltener auf (ca. 1-2% aller Frakturen beim Erwachsenen), nehmen jedoch beim geriatrischen Patienten an Häufigkeit ebenfalls deutlich zu [2].
Die häufigste Ursache für eine Olekranonfraktur ist ein Sturz aus dem Stand mit direktem Aufprall auf das Olekranon. Eine starke Kontraktion des Trizepsmuskels während eines Sturzes auf den ausgestreckten Arm wurde ebenfalls als häufiger Trauma-Mechanismus beschrieben [3]. Eine Dislokation des proximalen Frakturfragments kann durch den Zug des Trizepsmuskels entstehen, wenn das Periost und die Trizepsaponeurose gerissen sind.
Die distale Humerusfraktur entsteht meist infolge eines indirekten Traumas nach einem Sturz auf das Handgelenk. Der osteoporotisch geschwächte Knochen gibt eher nach als die Bänder, sodass Luxationen im zunehmenden Alter immer seltener auftreten zu Ungunsten von Frakturen am Ellenbogen.
Versorgung von Olekranonfrakturen beim geriatrischen Patienten
Die Standardbehandlung für dislozierte Olekranonfrakturen ist die offene Reposition und interne Fixation mittels Zuggurtungs- oder Plattenosteosynthese [4]. Aufgrund multipler medizinischer Komorbiditäten, geringer funktioneller Anforderungen, erhöhter chirurgischer Risiken und medizinischer Komplikationen werden dislozierte Olekranonfrakturen bei geriatrischen Patienten zunehmend konservativ behandelt.
Eine prospektive, randomisierte Studie verglich das Ergebnis von konservativer und chirurgischer Behandlung von dislozierten Olekranonfrakturen bei älteren Menschen [5]. Diese Studie musste während des Studienzeitraums abgebrochen werden, da in der chirurgischen Gruppe eine sehr hohe Komplikationsrate aufgetreten und somit eine weitere Randomisierung unethisch war. Insgesamt 19 Patienten wurden nach dem Zufallsprinzip in eine nichtoperative (n = 8) oder operative (n = 11) Behandlung eingeteilt. Die Studie wurde vorzeitig abgebrochen, da die Komplikationsrate (neun von 11, also 81,8 %) in der operativen Gruppe als inakzeptabel angesehen wurde. Die mittleren DASH- Scores der beiden Gruppen unterschieden sich jedoch zu keinem Zeitpunkt. Ein Jahr nach der Verletzung lag der mittlere Wert bei 23 (0 bis 59,6) in der nichtoperativen Gruppe und bei 22 (2,5 bis 57,8) in der operativen Gruppe (p = 0,763). Bei den sekundären Endpunkten, dem Broberg- und Morrey-Score oder dem Mayo Elbow Score, gab es zu keinem Zeitpunkt innerhalb eines Jahres nach der Verletzung einen signifikanten Unterschied zwischen den Gruppen (alle p ≥ 0,05).
Auch aufgrund dieser Studie hat die konservative Behandlung von Olekranonfrakturen beim geriatrischen Patienten zunehmend an Beliebtheit gewonnen. Alvara et al. haben in einer Übersichtsarbeit vier Studien zur konservativen Behandlung von Olekranonfrakturen zusammengefasst [6]. Insgesamt wurden 69 Patienten mit 70 Frakturen mit einem Durchschnittsalter von 83,8 Jahren (71-95 Jahre) und einem Frauenanteil von 88 % mit einem Follow-up von 12,4 Monaten eingeschlossen. Während bei lediglich 25 % der Frakturen eine knöcherne Heilung erreicht wurde,
lag der mittlere DASH-Score bei 16,9 (0-59,6), der mittlere Extensions-Flexions- Bogen betrug 138°. 92 % der Patienten erzielten dabei ein ausgezeichnetes Ergebnis. Es sollte nicht unerwähnt bleiben, dass auch bei der nichtoperativen Therapie Komplikationen auftreten: Bei einem Viertel (26%) der Patienten war dies der Fall: Am häufigsten wurde über persistierende Schmerzen und Krepitationen beim Bewegen des Armes berichtet.
Bei der Abwägung der Therapie sollte noch ein weiterer Aspekt berücksichtigt werden: Die operative Behandlung der Olekranonfraktur beinhaltet in der Regel auch einen Zweiteingriff, die Metallentfernung. Aufgrund der ungünstigen Lage des eingebrachten Metalls, sei es eine Zuggurtung oder Platte, klagen die meisten Patienten über einen lokalen Schmerz beim Ablegen des Ellenbogens auf einem harten Untergrund, z. B. dem Tisch oder der Stuhllehne. Im ungünstigen Fall kann es infolge der nur dünnen Weichteildeckung am Olekranon auch zu einem Herauswandern der Drähte kommen. Daher empfiehlt es sich, das Metall nach spätestens einem Jahr wieder zu entfernen, was für die Patienten einen erneuten Eingriff bedeutet.
Versorgung von distalen Humerusfrakturen beim geriatrischen Patienten
Im Gegensatz zur Olekranonfraktur ist die konservative Therapie der distalen Humerusfraktur beim geriatrischen Patienten nicht sehr verbreitet. Die distale Humerusfraktur führt im Vergleich zur Olekranonfraktur meist zu einer erheblichen Traumatisierung eines Großteils der Gelenkfläche, sodass die Funktion bei einer konservativen Therapie meist deutlich eingeschränkt bliebe.
Als Behandlungsoptionen zur Versorgung von distalen Humerusfrakturen stehen die offene Reposition und die Plattenosteosynthese (meist Doppelplatte) und die Ellenbogenprothese zur Verfügung. In den meisten Fällen ist bei gesunden, physiologisch jungen Patienten die Rekonstruktion die Behandlung der Wahl [7]. Bei physiologisch älteren Patienten stellt die Ellenbogenprothese eine sinnvolle Alternative dar [8]. In einer randomisierten kontrollierten Studie zum Vergleich von Osteosynthese vs. Prothese bei Patienten über 65 Jahren schnitt die Prothese im Kurzzeit-Follow-up besser ab als die Osteosynthese und zeigte auch 12,5 Jahre nach der Operation noch gute Ergebnisse [9]. Darüber hinaus lag die Revisionsrate für die Prothese bei 12 % und in der Osteosynthesen-Gruppe bei 27 %. Ein 2020 von Kholinne et al. veröffentlichter Übersichtsartikel hat die Ergebnisse von zehn Arbeiten mit 269 Patienten, die mit einer Ellenbogenprothese nach distaler Humerusfraktur versorgt worden sind, zusammengefasst [10]. Das am häufigsten verwendete Implantatdesign war das Coonrad-Morrey-System (83 %), welches eine gekoppelte Ellenbogenprothese darstellt. Der durchschnittliche postoperative Bewegungsbogen betrug 102,3° für Flexion-Extension und 145,8° für Pronation-Supination. Das durchschnittliche funktionelle Ergebnis betrug 89,5 mit dem Mayo Elbow Performance Score (MEPS), was einem guten bis sehr guten Ergebnis entspricht.
Der größte Vorteil der Prothese gegenüber einer Osteosynthese besteht darin, dass der Arm sofort belastet werden darf. Voraussetzung dafür ist, dass die Trizepssehne bei der Implantation der Prothese intakt bleibt (sog. Trizeps-on-Zugang). Zu berücksichtigen ist jedoch, dass die Ellenbogenprothese dauerhaft nicht mehr als bis 2-3 kg belastet werden darf, aufgrund der erhöhten Gefahr der frühzeitigen Lockerung.
Fazit
Die Versorgung von Ellenbogenfrakturen beim geriatrischen Patienten ist herausfordernd und unterliegt anderen Prinzipien als beim knochengesunden, physiologisch jungen Patienten. Bei der Olekranonfraktur hat sich in den vergangenen Jahren die konservative Therapie beim geriatrischen Patienten etabliert, da diese trotz meist ausbleibender Knochenheilung mit einem guten funktionellen Ergebnis einhergeht; bei deutlich niedrigerer Komplikationsrate verglichen mit der operativen Therapie. Bei der Versorgung der distalen Humerusfraktur stellt die Ellenbogenprothese eine sehr gute Alternative zur Osteosynthese beim geriatrischen Patienten dar und sollte bei der Therapieplanung mit einbezogen werden.