Oktober 2020 – Ausgabe 36

Wenn Rheuma ins Auge geht

Dr. med. Regina Max
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Keywords: nicht-infektiöse Uveitis, rotes Auge, Iridozyklitis, Spondyloarthritiden, Sarkoidose, Psoriasisarthritis

Unter dem Begriff „Rheuma“ werden die unterschiedlichsten meist muskuloskelettalen Beschwerden subsumiert. Nicht immer liegt bei diesen Symptomen eine entzündlich-rheumatische Erkrankung vor. Degenerative (z. B. Arthrose), psychosomatische (Schmerzsyndrome) oder Stoffwechselerkrankungen (u. a. Gicht) sind wichtige Differentialdiagnosen. Auf der anderen Seite kann „Rheuma“ auch Beschwerden verursachen, bei denen man nicht zwangsläufig daran denkt, einen Rheumatologen aufzusuchen – zum Beispiel ein rotes Auge.

Ein rotes Auge ist häufig eine harmlose Erscheinung, die kosmetisch stört, aber keinen eigentlichen Krankheitswert be­sitzt. Auch eine Bindehautentzündung (Konjunktivitis) bei Allergikern oder in Zusammenhang mit Zugluft gefährdet das Sehvermögen nicht anhaltend. Gelegentlich kann ein rotes Auge aber auch ein Hinweis auf eine nicht­infek­tiöse Uveitis sein.

Unter dem Begriff Uveitis werden ver­schiedene entzündliche Erkrankungen des Augeninneren zusammengefasst, die ihren Beginn in der mittleren Schicht der Augenwand, in den Strukturen der sogenannten Uvea haben (Abb. 1). Vor al­lem wenn eine Entzündung in der vorde­ren Augenkammer, dem vorderen Teil der Uvea (Uveitis anterior) auftritt, kommt es zu einem roten Auge. Bei der Uveitis ante­rior sind die Iris (Regenbogenhaut) und ggf. der Ziliarkörper betroffen. Neben dem sichtlich geröteten Auge bestehen starke Schmerzen und eine Lichtempfind­lichkeit. Bei der Untersuchung an der Spaltlampe stellt der Augenarzt eine Iritis oder Iridozyklitis fest.

Eine häufige Form der Uveitis anterior ist die einseitig auftretende Regenbogen­hautentzündung mit laborchemischem Nachweis von HLA B27 (Abb. 2). Dieser genetische Marker findet sich auch bei Patienten mit entzündlichen Wirbel­säulenerkrankungen, den Spondylo­arthritiden (SPA). Eine Uveitis stellt die häufigste extraartikuläre Manifestation bei HLA B27 assoziierten Spondylo­arthritiden dar. Sie tritt bei 30–50 % der Patienten auf. Die meisten Daten liegen für die ankylosierende Spondylitis (AS), die häufigste Subgruppe der Spondyloarthri­tiden vor, bei der das Risiko, eine Uveitis zu entwickeln, am größten ist. Aber auch bei den übrigen Subgruppen – Psoriasisar­thritis, Arthritis bei entzündlichen Dar­merkrankungen, reaktive und undifferen­zierte Arthritis – können die Augen mit­ beteiligt sein. Häufig ist das Vorliegen ei­ner SPA bei Erstmanifestation einer Uvei­tis bekannt, gelegentlich wird die Diagno­se der SPA aber auch erst bei der weiteren Abklärung einer Iritis durch den Rheuma­tologen festgestellt.

Eine Uveitis ist die zweithäufigste Ursa­che für Erblindung bei Menschen im er­werbsfähigen Alter. Bei mehr als 40 % der Patienten mit einer Uveitis, bei denen wei­tere assoziierte Erkrankungen vorliegen, sind dies autoimmune Systemerkrankungen. Neben den Spondyloarthritiden ist die Sarkoidose (eine autoimmune entzünd­liche Lungenerkrankung) die zweithäu­figste begleitende Erkrankung (3). Insbe­sondere bei den Patienten mit Sarkoidose wird diese manchmal erst aufgrund der Augenentzündung entdeckt.

Während die Augenentzündungen bei Patienten mit Spondyloarthritiden mit ro­tem, schmerzendem Auge und Lichtemp­findlichkeit nicht unbemerkt bleiben, muss bei der Sarkoidose das entzündete Auge weder gerötet noch schmerzhaft sein. Die Entzündung betrifft dann den mittleren (Uveitis intermedia) oder hinte­ren Teil der Uvea (Uveitis posterior) bzw. die Netzhaut (Retina).

Bei der Uveitis intermedia sind meist bei­ de Augen betroffen. Das Sehvermögen muss nicht wesentlich beeinträchtigt sein. Typische Symptome wie das Sehen von Flöckchen, Flusen oder Wellen wer­den häufig erst mit der Zeit als störend wahrgenommen bzw. fallen erst auf, wenn bei einer rheumatologischen Erkrankung eine Augenuntersuchung veranlasst wird. Bei der Uveitis posterior bzw. der Retinitis kann das Sehvermögen rasch abnehmen. Schleier­ und Schlierensehen sind weitere Symptome einer „hinteren“ Augenentzün­dung. Entzündungen des hinteren Augensegments können trotz teils deutlicher Visuseinschränkung für den Patienten nur bei einer Untersuchung durch den Augen­arzt an der Spaltlampe erkannt werden. Neben den Spondyloarthritiden und der Sarkoidose, die häufig mit einer Augenbe­teiligung einhergehen, kann eine solche in unterschiedlicher Häufigkeit und Lokali­sation bei weiteren entzündlich rheumati­schen Erkrankungen wie der rheumatoi­den Arthritis, den Kollagenosen sowie den Vaskulitiden auftreten.

Es ist daher wichtig, dass sowohl Augen­ärzte als auch Rheumatologen sowie die zuweisenden Haus-­ und Fachärzte den möglichen Zusammenhang von nicht­infektiösen Augenentzündungen mit entzündlich rheumatischen Erkrankungen kennen (4).

Das Vorliegen einer Augenbeteiligung bei einer Erkrankung des Rheumatischen Formenkreises bzw. das Erkennen einer entzündlich rheumatischen Erkrankung bei der Abklärung einer Augenentzün­dung haben entscheidenden Einfluss auf Art und Intensität der Therapie.

Fazit

  • Anhaltende Entzündungen des Augen­ inneren (Uveitis) können auf eine be­gleitende entzündlich rheumatische Erkrankung hinweisen.
  • Bei vielen entzündlich rheumatischen Erkrankungen können die Augen betei­ligt sein.
  • Die häufigste nicht­infektiöse Augen­entzündung ist die einseitige anteriore Uveitis mit gerötetem, schmerzhaftem Auge. Bis zu 50 % der Patienten mit einer Spondyloarthritis haben oder be­kommen eine anteriore Uveitis.
  • Auch wenn das Auge nicht rot ist, kann bei einem Patienten mit einer entzünd­lich rheumatischen Erkrankung eine Augenbeteiligung vorliegen. Insbeson­dere bei Patienten mit Sarkoidose ist eine Untersuchung beim Augenarzt notwendig, selbst wenn der Patient keine Sehstörung angibt.

Voraussetzung für eine fachlich fundierte Abklärung und Betreuung von Patienten mit autoimmunen Erkrankungen am muskuloskelettalen System und – wie u. a. bei der Uveitis – darüber hinaus ist die interdisziplinäre Zusammenarbeit ver­schiedener Fachrichtungen. Hier profitie­ren wir und unsere Patienten von der Kompetenz der ärztlichen Kollegen in der ATOS Klinik Heidelberg sowie der Koope­ration mit ausgewählten niedergelasse­nen Kollegen.

Auch bei Kindern und Jugendlichen kann in Zusammenhang mit rheumatischen Erkrankungen eine Uveitis auftreten. Diese lässt sich mit den Verläufen im Erwachse­nenalter nicht vergleichen. Wir freuen uns daher, dass unser Team Verstärkung er­halten hat durch Herrn Dr. Thomas Lutz, Facharzt für Pädiatrie und pädiatrische Rheumatologie, der u. a. die interdiszipli­näre Kinder­Uveitis­Sprechstunde in der Universitätsaugenklinik lange betreut hat.