November 2022 – Ausgabe 40

Ist Sport mit Knieprothese möglich?

Prof. Dr. med. Rainer Siebold
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Maja Siebold

Regina Tödter

Schlüsselwörter: Knorpel, Kniegelenk, Gonarthrose, Totalendoprothese, unikondyläre Prothese

Ist der Knorpel am Kniegelenk verbraucht und liegt der Knochen der Gelenkpartner frei, spricht man von einer Kniegelenksarthrose oder Gonarthrose. Dabei läuft das Gelenk bildlich gesprochen „auf der Felge“. Im Endstadium führt dieser Zustand zu starken Schmerzen, Bewegungseinschränkungen und einer zunehmenden Verschlechterung der Lebensqualität. Viele Menschen sehnen sich in dieser Situation wieder nach einer Normalität im Alltag und einer gewissen Sportfähigkeit. Dies ist durchaus möglich, mithilfe der Implantation einer Knieprothese.

Der endoprothetische Gelenkersatz zählt zu den erfolgreichsten Entwicklungen in der Orthopädie. Allein in Deutschland werden jährlich mehr als 400.000 Endoprothesen an Hüfte und Knie implantiert (Quelle: EPRD 2022), mit steigender Tendenz. Im Falle einer fortgeschrittenen schmerzhaften Kniearthrose ist die Lebensqualität dermaßen eingeschränkt, dass oft keine Wahl bleibt, als diese operativ behandeln zu lassen. Ziel ist es, ein möglichst schmerzfreies und aktives Leben bis ins hohe Alter zu ermöglichen.

Aufgrund früher Verletzungen im Sport oder im Alltag müssen auch immer mehr jüngere und aktive Patientinnen und Patienten einen Gelenkersatz in Anspruch nehmen, um wieder schmerzfrei durch den Alltag zu kommen. Natürlich möchten junge Menschen nach einer erfolgreichen OP auch wieder Sport treiben. Ein künstliches Kniegelenk bedeutet dabei keinesfalls das Ende sportlicher Aktivitäten. Im Gegenteil: Sport mit Endoprothese ist möglich, wenn gewisse Voraussetzungen erfüllt werden können.

Voraussetzungen für sportliche Aktivität mit Knieprothese

Eine sehr wichtige Voraussetzung für die erfolgreiche (Wieder-)Aufnahme sportlicher Aktivitäten ist zunächst einmal die Ausgangssituation. Je ausgeprägter die Arthrose, desto schwieriger kann es sein, durch die Operation ein optimales Ergebnis zu erzielen. Bei „normaler“ Arthrose spielt die Operation eine entscheidende Rolle: Wichtig sind eine schonende minimalinvasive OP-Technik mit wenig Knochenverlust, eine optimale Verankerung der Prothese und – ganz entscheidend – ein möglichst perfekter Prothesensitz. Dadurch sind die biome- chanischen Voraussetzungen für eine optimale Funktion gegeben. Am verlässlichsten können diese Ziele heute durch eine computernavigierte und roboterunterstützte Implantation der Knieprothese (z. B. Mako®SmartRobotics) erreicht werden, wie sie etwa an der ATOS Klinik Heidelberg angeboten wird (Abb. 1). Bei diesem Verfahren kann mit einer sehr hohen Konstanz ein hervorragendes Ergebnis erzielt werden.

Können die oben genannten operativen Kriterien erfüllt werden, so sind beste Voraussetzungen für eine sehr gute Funktion, Stabilität und nahezu freie Beweglichkeit gegeben. Nach der Operation schließt sich eine ambulante oder stationäre Rehabilitationsmaßnahme an, die in der Regel zwischen 3 und 6 Monaten dauert und die eine Rückkehr in das aktive Leben und die Wiederherstellung einer „sinnvollen“ Sportfähigkeit zum Ziel hat. Bei jeder/jedem Patientin/Patienten ist die muskuläre körperliche Ausgangssituation vor der Operation unterschiedlich, sodass auch nach der Operation der Fortschritt der Rehabilitation sehr unterschiedlich sein kann. Manche Patientinnen und Patienten sind besser vorbereitet und machen schnelle Fortschritte, andere benötigen mehr Zeit. Soweit es möglich ist, werden die Patientinnen und Patienten durch die Rehabilitation bereits wieder an sportliche Aktivitäten wie (Stand-)Radfahren, Schwimmen, Walking und Fitnesstraining herangeführt (Abb. 2 und 3).

Umfang und Problematik von Sport mit Knieprothese

Für ältere Menschen ist ein regelmäßiges, an die körperliche Gesamtsituation angepasstes Training grundsätzlich wichtig. Durch die Implantation der Knieprothese soll diese Voraussetzung wieder geschaffen werden. Durch das Training nach der OP können die Muskulatur wieder gekräftigt, der Knochen gestärkt und der Kreislauf trainiert werden. Ziel für ältere Personen ist es, wieder mobil und selbstständig zu sein, uneingeschränkt am sozialen Leben teilzunehmen und diesen Zustand so lange wie möglich zu erhalten.

Jüngere Menschen haben zusätzlich das Ziel, nach erfolgter Knieprothese wieder sportlich aktiv zu sein. Je nach Sportwunsch kann das unproblematisch oder aber auch unvernünftig sein. Gerade jüngere Patientinnen und Patienten müssen sich aufgrund von zu hoher Belastung der Prothese nicht selten einer operativen Revision durch Prothesenlockerung unterziehen. Somit liegt die Zahl der Wechselprothesen bei jungen Personen deutlich höher als bei älteren. Welche Sportarten sind also nach dem Einsatz einer Knieprothese sinnvoll und wie intensiv kann der Sport ausgeübt werden? Hierzu gibt es noch keine evidenzbasierten Leitlinien, welche eine Aussage über ein mögliches positives Nutzen-Risiko-Verhältnis treffen könnten.

Sport ist nicht gleich Sport

Medizinische Spezialistinnen und Spezialisten sind sich heute einig, dass nicht alle Sportarten für alle Patienten gleichermaßen sinnvoll sind. Die großen Fachgesellschaften sprechen sich in ihren Richtlinien gegen intensive Sportarten nach einem Gelenkimplantat aus.

Abhängig von der Intensität, Frequenz, Dauer, aber auch von der mechanischen Belastungsstärke, unterscheidet man zwischen „guten“ Low-Impact- und „schlechten“ High-Impact-Sportarten:

  • Low-Impact: Walken/Wandern, Schwimmen, Radfahren, Tanzen, Langlaufski, Ski (moderat), Tennis (moderat), Schlittschuhlaufen, Inlineskating, Jogging (moderat, flach, kurz), Reiten, Golf, Fitness und Gymnastik (moderat)
  • High-Impact: sogenannte „Stop- and-Go“-Sportarten wie Squash, Tennis (intensiv), Fußball, Handball, Basketball, Volleyball, Ski alpin (intensiv), Joggen (intensiv) und Kampfsport

Walken/Wandern

Eine sehr verträgliche Sportart nach Knie-TEP ist das Walking (Abb. 2).
Dabei wird die Prothese wenig belastet. Wandern ist unproblematisch in der Ebene und bergauf. Das Bergablaufen über einen längeren Zeitraum jedoch führt zu vermehrten Stößen auf die Prothese und ggf. zu einer Reizung des Kniegelenks. Deshalb wird dazu geraten, beim Walking auch Wanderstöcke zu verwenden und die Route mit Bedacht zu planen, ggf. mit der Gondel abzufahren oder steile Abhänge zu meiden.

Schwimmen

Die Leichtigkeit im Wasser entlastet die Gelenke und sollte keine Probleme bereiten. Brustschwimmen ist erlaubt, könnte aber zu leichten Beschwerden durch die Verdrehung des Kniegelenks führen. Kraulschwimmen und Aquajogging sind zu empfehlen. Auch Wassergymnastik bietet sich an.

Radfahren

Das Radfahren stellt sich als knieschonende Sportart bis ins hohe Alter heraus. Bei Unsicherheit sollte man aber besser auf dem Standfahrrad/Ergometer trainieren (Abb. 3). Bei Trail- oder Mountainbikes kommt es allerdings zu starken Stößen auf die Kniegelenke. Daher gilt es, risikoreiches Fahren und Stürze zu meiden.

Tanzen

Tanzen ist sehr gut möglich. Allerdings gilt auch hier, dass Sprünge, wie sie etwa beim Rock ’n‘ Roll oder Lindy Hop bekannt sind, vermieden werden sollten.

Ski-Langlauf und Abfahrtsski

Der Skisport gehört hierzulande zur beliebtesten Wintersportart. Je nach Intensivität, Geschwindigkeit und Erfahrung kann Skifahren als Low-Impact-, aber auch als High-Impact-Sportart betrachtet werden. Nicht nur die Art des Knie-Implantats (Totalendoprothese oder unikondylärer Teilgelenkersatz), die Ausrüstung und die Fahrstrecke, sondern auch der individuelle Gesundheitszustand (Muskelkraft, Bewegungsumfang, Fitness etc.) spielen eine wesentliche Rolle. Kein Risiko eingehen.

Tennis

Beim Tennis muss man zwischen stumpfem Hallenboden und Sandboden unterscheiden. Stumpfer Hallenboden führt zu starken Stoßkräften und ist nach Einsatz einer Endoprothese weniger sinnvoll.
Auf Sandboden ist das Rutschen besser möglich, daher wirken hier weniger starke Kräfte auf die Prothese. Selbstverständlich ist nur moderate Belastung anzuraten und kein Wettkampfsport. Doppelspiel bevorzugen, Zeit limitieren.

Schlittschuhlaufen/ Inlineskating

Für Erfahrene und mit moderater Intensität möglich. Sprünge mit harter Landung und Stürze unbedingt vermeiden.

Jogging

Moderat machbar, allerdings besser in der Ebene und auf weichem Boden. Auch auf das richtige Schuhwerk ist hier zu achten. Mehr als 5 km bzw. Langstreckenlauf ist nicht zu empfehlen.

Reiten

Für Erfahrene möglich, beim Auf- und Absteigen besonders vorsichtig sein. Sprünge und harte Stoßkräfte auf die Prothese vermeiden. Kein Risiko eingehen, Stürze vermeiden.

Golf

Der Golfsport eignet sich bestens als Low-Impact-Sportart. Golfspielen verbessert die Laufleistung (durchschnittlich bis zu 11.000 Schritte oder 5 km Gehstrecke bei moderatem Tempo und geringer Belastung), die muskuläre Ausdauer und das kardiovaskuläre System.

Fitness

Übungen im Fitnessstudio zum Training der Muskulatur sind sehr empfehlenswert. Fahrradergometer, Crosstrainer, Stepper oder auch Rudergerät und Laufband sind ideal. Allerdings ist Hanteltraining mit zu hohen Gewichten oder sogenanntes plyometrisches Training (etwa beim Crossfit), das die Exposivkraft steigern soll, zu vermeiden.

Fußball, Handball, Basketball, Volleyball, Squash

Derartige Ballsportarten sind typische High-Impact-Sportarten mit ständiger Stop-and-Go-Belastung. Sicherheitshalber und im Hinblick auf das Knieimplantat sollte man auf diese Sportarten verzichten, um eine frühzeitige Prothesenlockerung zu vermeiden. Dasselbe gilt auch für alle Sportarten mit ähnlich hoher Intensität.

Fazit

Nach dem Einsatz einer Endoprothese ist Sport grundsätzlich möglich und sinnvoll. Aufgabe der behandelnden Ärzteschaft ist es, über die Möglichkeiten und Auswirkungen bei sportlicher Aktivität mit einer Endoprothese aufzuklären. Aktuelle Empfehlungen basieren heute insbesondere auf Erfahrungswerten und der Expertenmeinung. Bei vernünftig ausgeübten Low-Impact-Sportarten gibt es keine Hinweise, dass sich Sport negativ auf die Endoprothese auswirken könnte. Im Bereich High-Impact-Sport ist allerdings Vorsicht geboten.

Grundsätzlich kann es bei Überlastung des Implantats zu Knieschmerzen, Schwellung, Überwärmung und – im schlimmsten Fall – zu einer Prothesenlockerung kommen. Dann ist ein operativer Wechsel der Prothese (Revision) notwendig. Patientinnen und Patienten wird empfohlen, sich verantwortungsvoll und vernünftig zu verhalten. Sie sollten die Prothese regelmäßig von ihrer Orthopädin oder ihrem Orthopäden überprüfen lassen, um rechtzeitig entsprechende Vorkehrungen zu treffen.