Oktober 2020 – Ausgabe 36

Die Arthrodese des Glenohumeralgelenks

Prof. Dr. med. Markus Loew
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Schnetzke

Prof. Dr. med. Marc Schnetzke
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Dr. med. Sven Lichtenberg
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Keywords: Glenohumeralgelenk, Arthrodese, Funktion, Salvage-Prozedur

Die Arthrodese des Schultergelenks ist eine „Salvage Procedure“, d. h., sie bleibt wenigen Indikationen vorbehalten und führt zu einem funktionell bescheidenen Resultat. Nichtsdestotrotz gehört sie in das Repertoire eines Schulterchirurgen, denn die Versteifung des Glenohumeralgelenks (GHG) stellt in wenigen Fällen die einzige Möglichkeit dar, eine schmerzfreie Situation für den Patienten zu schaffen. Und so paradox es klingt: Die glenohumerale Arthrodese ist die einzige Versteifung eines Gelenks, die in der Regel zu einer Verbesserung der Funktion und Belastbarkeit der betroffenen Gliedmaße führt.

Liegt nämlich eine Lähmung der glenohu­meral wirksamen Muskulatur vor oder ist die Bewegung im GHG durch Schmerzen unmöglich, führt die Versteifung dazu, dass über die Bewegung des Schulter­blattes auf dem Thorax (Skapulothorakal­gelenk) ein schmerzfreies, zufrieden­stellendes globales Bewegungsausmaß erreicht werden kann.

Indikationen

Indikationen zur glenohumeralen Arthro­dese sind Situationen mit einer Parese der glenohumeralen Muskulatur:

  • Axillarisparese (in Kombination mit einer Insuffizienz derRotatorenmanschette)
  • Plexusparese (z. B. nach Geburtstraumata)

sowie Situationen, bei denen die knö­cherne Grundlage für eine endoprotheti­sche Versorgung nicht geeignet ist:

  • massive angeborene oder posttrau­matische Glenoiddeformität
  • knöcherner Defekt nach Ausbau einer Schulterprothese
  • massive multidirektionale Schulter­instabilität (z. B. bei Ehlers­Danlos­Syndrom).

Operationstechnik

In der Operationstechnik konkurriert die Osteosynthese durch Kompressions­platten mit einer reinen Schraubenosteo­synthese (1, 2). Schlüssel zum Behand­lungserfolg, d. h. zu einer knöchernen Fusion, ist die ausreichende Anfrischung der deformierten Gelenkflächen und/ oder die Anlagerung von autogenem Knochenmaterial.

Kontroverse Diskussionen betreffen die Position, in der das Gelenk versteift wer­den soll. Weitgehender Konsens besteht darin, dass eine leichte Flexion (30° bis 50°), Abduktion (etwa 50°) und Innenro­tation (etwa 20°) ein akzeptables Bewe­gungsausmaß des Armes gewährleisten. Allerdings ist die Orientierung und Ausrichtung der Gelenkflächen während der Operation freihändig schwierig, sodass die gewünschte Position meistens nur annähernd erreicht werden kann.

Funktionelle Resultate

Erwartungsgemäß sind die funktionellen Resultate der glenohumeralen Arthro­dese mäßig. In der Regel sind die be­troffenen Patienten in der Lage, den Arm etwa bis zur Schulterhöhe nach vorne zu führen, bis zur Brustkorbhöhe seitlich abzuspreizen und mit der Hand sowohl das Hinterhaupt als auch das Gesäß zu erreichen.

Die gebräuchlichen funktionellen Scores führen zu schlechten Ergebnissen. Im DASH­Score (Disabilities of Arm, Shoul­der and Hand) werden maximal 50 % der Normalwerte erreicht. 80 % der Pa­tienten berichten nach Arthrodese über eine erhebliche Behinderung.

Allerdings sind auch 80% der Operierten mit der Verbesserung der Gesamtsitua­tion im Vergleich zur präoperativen Situa­tion zufrieden. Im Constant­Score, der eine Kombination aus funktionellen und subjektiven Parametern zusammenfasst, verbessert sich der Schmerz signifikant, während die übrigen Parameter weitge­hend unverändert bleiben. Die relativ bes­ten funktionellen Ergebnisse werden nach Lähmungsarthropathien beschrieben.

Komplikationen

Das Komplikationsspektrum ist erheb­lich: In einer Multicenterstudie mit dem größten publizierten Kollektiv von 34 Patienten mussten 14 Patienten (41 %) wegen Pseudarthrosen oder Fehlheilung innerhalb von zwölf Monaten revidiert werden. Weitere Komplikationen sind Infektionen, periprothetische Frakturen, Implantatlockerungen und Schmerzen in der paraskapulären Muskulatur. In der Revisionsrate ergeben sich keine Unterschiede zwischen Platten­ und Schraubenosteosynthese. Die niedrigsten Fusionsraten sind nach fehlgeschlagener Endoprothetik zu er­ warten – Ursachen hierfür sind die meist erheblichen humeralen und glenoidalen Knochendefekte. Die einzige Rückzugsoption nach glenohumeraler Arthrodese besteht in Einzelfällen in der Implantation einer inversen Prothese. Dieses ist kasuistisch erfolgreich durchgeführt, aber bisher nicht publiziert worden.

Fallbeispiel

Ein 59­jähriger Polizist erlitt eine Luxati­onsfraktur des rechten Schultergelenks. Erst 12 Wochen nach der Verletzung wurde eine Axillarisparese diagnostiziert. Trotz neurochirurgischer Intervention kam es nicht zu einer Erholung des M. Deltoideus. Ergebnis nach zwei Jahren war ein in Subluxationsstellung schmerz­haftes Schultergelenk mit erhal­tener minimaler Restbeweglichkeit im GHG, sodass auch die Ausgleichbewe­gungen durch das Schulterblatt heftige Schmerzen verursachten.

Im März 2020 erfolgte daher eine glenohumerale Fusion mit Schrauben­osteosynthese, wobei die Gelenkflächen angefrischt und eine epiphysär entnommene Knochenscheibe zwischen Hume­ruskopf und Akromion angelagert wurden. Die Schulter wurde anschließend in einem Abduktionskissen für 6 Wochen ruhiggestellt, während die angrenzenden Gelenke physiotherapeutisch behandelt wurden.

Vier Monate nach der Operation ist der Patient weitgehend schmerzfrei. Bei noch erst beginnender knöcherner Konsoli­dierung beträgt das Bewegungsausmaß in Flexion 80°, in Abduktion 60° und der Patient ist in der Lage, Hinterhaupt und Gesäß mit der Hand zu erreichen. Bereits zu diesem Zeitpunkt empfindet er die Situation gegenüber der präoperativen Ausgangslage als signifikant verbessert.

Fazit

Die glenohumerale Arthrodese stellt ein Verfahren mit eingeschränkter Erfolgserwartung („Limited Goal“) dar, das in verzweifelten Ausgangssituationen eine mäßige Funktion des Armes bei zu­verlässig erreichbarer Schmerzlinderung ermöglicht. Sie bleibt daher wenigen Ausnahmeindikationen vorbehalten.