Oktober 2021 – Ausgabe 38

Klimawandel und seine Folgen für Asthma und Allergien – auch bei Kindern und Jugendlichen

Dr. med. Verena Mandelbaum
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Aktuell leiden in der Europäischen Union 100 Millionen Patienten an allergischer Rhinitis und 70 Millionen an allergischem Asthma bronchiale. Bis 2025 wird jeder zweite EU-Bürger an einer Allergie leiden. Die WHO warnt vor dieser zunehmenden Gesundheitsgefährdung mit nahezu pandemischem Ausmaß.

Lungenfunktionstest in der Praxis (Foto: Praxis Mandelbaum)

Ein Grund für die dramatische Zunahme dieser Erkrankung sind auch die Folgen des Klimawandels: Da die Temperaturen ansteigen, startet die Pollensaison früher und endet später im Herbst. Der Anstieg von CO2 in der Luft wirkt wie ein Dünger für viele Pflanzen und führt zu einer vermehrten Pollenbildung. Ozon und Feinstaub machen Pollen aggressiver für die Schleimhäute, Stickoxid und Ozon reizen zusätzlich die Atemwege. Dadurch sind diese Patienten in ihrer Pollensaison anfälliger für Infektionen, insbesondere aktuell bei der SARS-CoV-2-Infektion. Zusätzlich breiten sich neue, hochallergene Pflanzen wie Ambrosie (Ragweed) zunehmend in Europa aus.

Diagnostik von Allergien

Allergien können in jedem Alter auftreten. Kleine Kinder haben einfach häufig „Erkältungen“, wie sie in diesem Alter oft vorkommen, und die Unterscheidung zur Allergie ist manchmal schwierig. Durch genaue Beobachtung und spezielle Blutuntersuchungen im Spezial-Allergielabor kann jedoch eindeutig zwischen Virusinfektion, Nahrungsmittelallergie oder luftgetragenen Allergien wie gegen Pollen, Milben, Schimmelpilze oder Tierepithelien unterschieden werden. Damit ändert sich die Behandlung grundlegend von der Erkältungskrankheit zur gezielten Therapie der Allergie. Die Diagnosestellung ist deshalb gerade bei Kindern von großer Bedeutung.

50 % der Allergiker haben keine adäquate Diagnose, die jedoch Voraussetzung ist für eine gezielte heilende Behandlung. Die Anwendung von Haut-PRICK-Tests lässt nur ein begrenztes Spektrum von infrage kommenden Allergenen zu. Vollständige Information bietet hingegen ein Bluttest, in dem nicht nur die Allergene, sondern auch mithilfe der rekombinanten Eiweißbausteine die genaue Sensibilisierung nachgewiesen werden kann. Dadurch ist nicht nur eine lindernde, sondern auch eine heilende Therapie möglich.

Dies gilt für Kinder und Erwachsene, wobei die Therapieergebnisse umso besser sind, je früher die Diagnose gestellt und eine Behandlung begonnen wird. Bereits bei juckenden, tränenden Augen oder bei laufender, juckender oder ständig verstopfter Nase – ganzjährig oder zu bestimmten Zeiten – die über eine normale Erkältungsdauer von zwei Wochen hinausgehen, sollte dringend in einer Blutuntersuchung die Ursache herausgefunden werden.

Lindernde Medikamente wie antiallergische Nasensprays, Augentropfen, Tabletten oder Saft sind inzwischen frei verkäuflich in der Apotheke erhältlich und sollten großzügig zum Einsatz kommen.

Lungenfunktionsdiagnostik

Sollte zusätzlich Husten nachts, bei körperlicher oder emotionaler Belastung oder länger als zwei Wochen bestehen oder z. B. ständiges Räuspern bemerkt werden, muss ein Lungenfunktionstest durchgeführt werden. Dies gelingt am besten in auf Kinder spezialisierten Lungenarztpraxen, die den Umgang mit manchmal noch ängstlichen kleinen Patienten gewöhnt sind, häufig schon ab dem 3. Lebensjahr.

Bei größeren Kindern und Erwachsenen sollte leitliniengerecht unbedingt auch eine Testung des Atemwegswiderstandes in einem Bodyplethysmographen mit Broncholyse oder Provokation zusätzlich zur Spirometrie durchgeführt werden.

Bei ständig verlegter Nasenatmung ist eine Funktionsmessung der Nasenatmung mit anteriorer Rhinomanometrie hilfreich zur Diagnose und bei der Beurteilung, wie gut ein Medikament wirkt.

Die Messung des Stickstoff-Monoxids FeNO in der Ausatemluft gehört mittlerweile international ebenfalls zum Standard bei der Beurteilung der aktuellen allergischen Situation und der Beantwortung der Frage, ob bereits Kortison zur Therapie eingesetzt werden muss. Hier können in der Spezialpraxis für Atemwegserkrankungen und Allergien bei Kindern und Jugendlichen in der ATOS Klinik Heidelberg bereits Kinder ab dem 6. Lebensjahr untersucht werden.

Neue Allergieimmuntherapie

Die Autorin hat langjährige Erfahrung in der Betreuung allergischer und asthmatischer Kinder. Sie ist mit den neuesten Therapien bestens vertraut. Für die allergischen Patienten bedeutet das, dass neben neuen, weniger Müdigkeit verursachenden antiallergischen Medikamenten neue Allergie-Immuntherapien AIT verstärkt zum Einsatz kommen. Diese gibt es sowohl kompakt als Spritzen als auch mittlerweile mit sehr guter Erfolgsrate als Tabletten für Kinder oder besonders spritzenängstliche Patienten. Dieser Therapieansatz kann Allergien – je nach Allergen – bei 8 von 10 Patienten heilen.

Bei schweren Verläufen kommen auch Antikörper zum Einsatz. Diese sehr teuren Medikamente helfen Patienten mit schwerem, kortisonabhängigem Asthma, bronchialer, quälender Neurodermitis oder chronischer Nasenpolypenbildung mit beeindruckenden Ergebnissen.

Fazit

Eine frühzeitige Diagnose ist also besonders bei Kindern wichtig, um durch diese unterschiedlichen Behandlungen den „allergischen Marsch“ mit Etagenwechsel von der Nase in die Lunge zu verhindern. Nur so kann der Umbau der Lunge durch eine lange bestehende Allergie zu einem Asthma bronchiale möglichst früh gestoppt werden. Eine Spezialisierung in diesem Gebiet und die regelmäßige Weiterentwicklung der Therapien sind dazu unbedingt erforderlich.

Die neuen Therapieoptionen helfen, die Schwere von Allergien aktuell und in den nächsten Jahren zu lindern, obwohl es zu einer stärkeren Belastung durch die Folgen des Klimawandels kommen wird. Ein Umdenken ist auch hier nötig.