Oktober 2021 – Ausgabe 38
Anconeus-Muskeltransfer am Ellenbogen: Welche Indikationen gibt es?
Prof. Dr. med. Marc Schnetzke
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Prof. Dr. med. Markus Loew
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Dr. med. Sven Lichtenberg
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Keywords: Anconeus-Muskeltransfer, Trizepsinsuffizienz
Das Ellenbogengelenk ist im Gegensatz zum Schultergelenk ein primär knöchern geführtes Gelenk, weshalb Muskeltransfers zum Bewegungserhalt des Gelenkes am Ellenbogen eine untergeordnete Rolle spielen. Am Ellenbogengelenk existieren dennoch Indikationen für einen Muskeltransfer, insbesondere des Musculus anconeus, welche im folgenden Beitrag vorgestellt werden.
Anatomie des M. anconeus
Der Musculus anconeus ist an der Außenseite des Ellenbogengelenkes dorsal der Streckmuskulatur lokalisiert. Funktionell ist der Anconeus dem Trizepsmuskel zugehörig, da der Anconeus eine Streckung im Ellenbogengelenk ausführt. Zudem bewirkt der Anconeus ein Anspannen der Gelenkkapsel am Ellenbogengelenk und wirkt somit (leicht) stabilisierend auf das Gelenk.
Indikationen für einen Anconeustransfer
Im Wesentlichen existieren zwei Indikationen für die Durchführung eines Transfers des M. anconeus: a) zur Defektdeckung bei Insuffizienz des Streckapparates (Trizepsinsuffizienz) und b) als sog. Interpositions-Arthroplastik (Platzhalter) nach Resektion des Radiuskopfes oder einer Radiuskopfprothese.
a) Insuffizienz des Streckapparates (Trizepsinsuffizienz)
Eine traumatische oder iatrogene Schädigung des Streckapparates des Ellenbogens stellt eine schwerwiegende Komplikation dar, die in der Regel zu einer erheblichen Einschränkung der aktiven Streckfähigkeit des Ellenbogens führt.
Eine Schädigung des Streckapparates des Ellenbogens kann traumatisch z. B. infolge eines direkten Anpralls oder eines Hyperextensionstraumas des Ellenbogens resultieren; die Ruptur der Trizepssehne stellt jedoch eine seltene Verletzung dar. Häufig werden diese Verletzungen in der Akutphase übersehen und die Indikation zur operativen Revision wird erst verzögert gestellt.
In diesem Fall kann eine primäre Rekonstruktion der Trizepssehne aufgrund der Retraktion der Sehne deutlich erschwert oder unmöglich sein.
Eine andere Entität stellt die Trizepsinsuffizienz nach endoprothetischer Versorgung des Ellenbogengelenkes dar.
Im Rahmen der Implantation einer Ellenbogenprothese wird der Streckapparat meist vollständig abgesetzt und anschließend wieder mit Nähten am Olekranon refixiert. Mehrfache Revisionseingriffe können bei diesen Patienten unter Umständen in einer Insuffizienz des Streckapparates resultieren.
Zur operativen Behandlung eines kleineren oder mittelgroßen Defektes (bis 3 cm) oder einer Insuffizienz des Streckapparates wird der M. anconeus vom Epicondylus lateralis mobilisiert und in den Defekt eingeschwenkt.
Bei größeren Defekten von > 3 cm ist eine Defektüberbrückung mit dem Anconeus-Transfer meist nicht ausreichend; hier empfiehlt sich die Überbrückung des Defektes mittels autologer Sehnen (z. B. Semitendinosussehne, Abb. 5) oder mittels Spendersehnen (Achillessehnen-Allograft).
b) Anconeus-Interpositions-arthroplastik
Im äußeren Gelenkkompartiment zwischen Radiuskopf und Capitulum humeri kann es infolge von Traumata oder degenerativen Veränderungen zu schmerzhaften Funktionsstörungen des Ellenbogengelenkes kommen. Nach fehlgeschlagener Osteosynthese des Radiuskopfes oder Implantation einer überdimensionierten Radiuskopfprothese resultiert meist rasch eine fortschreitende Arthrose des lateralen Gelenkanteils.
Eine alleinige Resektion des Radiuskopfes oder der Radiuskopfprothese kann zu einem schmerzhaften Impingement zwischen dem proximalen Radiusstumpf und dem distalen Humerus und/oder der proximalen Ulna führen.
Die Interposition des Anconeus-Muskels bietet dann ein Weichteilpolster, um das Problem des knöchernen Impingements zu vermeiden. Zudem kann eine Verlegung des Anconeus unter den lateralen Kollateral-bandapparat die Bandspannung und damit die Gesamtstabilität des Ellenbogens erhöhen.
Fazit
Nach Erfahrung der Autoren können Muskeltransfers am Ellenbogengelenk – speziell der Anconeus-Transfer – als Salvage-Prozedur bei zwei Indikationen sinnvoll eingesetzt werden: bei einer Insuffizienz des Streckapparats und bei (posttraumatischen) Arthrosen des lateralen Gelenkkompartimentes. Die Indikationsstellung erfolgt nur in Ausnahmefällen und muss kritisch geprüft werden. Nach unserer Erfahrung kann in diesen speziellen Fällen mithilfe des Anconeus-Transfers ein gutes klinisches Ergebnis erzielt werden.