Mai 2020 – Ausgabe 35
Rheuma und Sport: Erlaubt ist, was gefällt
Dr. med. Regina Max
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Dr. med. Ines Dornacher
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Dr. med. Verena Schmitt
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Keywords: entzündlich rheumatische Erkrankungen, rheumatoide Arthritis, Sport, Krankheitsaktivität
„Sport ist die beste Medizin!“ Diese Aussage gilt auch für Patienten mit entzündlich rheumatischen Erkrankungen des muskuloskelettalen Systems. Da körperliche Aktivität ein wesentlicher Bestandteil der Therapie und Rehabilitation ist, sollten die Patienten dazu ermutigt werden, sich – angepasst an die aktuelle Krankheitsphase – ausreichend zu bewegen.
Die WHO empfiehlt generell mindestens 150 Minuten moderate oder 75 Minuten intensive körperliche Aktivität pro Woche. Die Umfrage einer deutschen Krankenkasse unter 3.000 ihrer Versicherten ergab, dass lediglich 43% der Befragten dieses Aktivitätsziel erreichen. Untersuchungen bei Patienten mit rheumatoider Arthritis haben ge-zeigt, dass deren körperliche Aktivität sogar noch deutlich unter der gesunder Kontrollpersonen liegt. Für Patienten mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen, die insbesondere das muskuloskelettale System betreffen (Rheumatoide Arthritis, Psoriasisarthritis, ankylosierende Spondylitis) kann es aus unterschiedlichen Gründen schwierig sein, diese Aktivitätsziele umzusetzen. Neben den erkrankungsbedingten Einschränkungen am Bewegungsapparat und Schmerzen stehen oft Unsicherheit und die Sorge, „etwas falsch zu machen und die Krankheit zu verschlimmern“, einer sportlichen Betätigung im Weg. Diese Bedenken werden von Betroffenen, aber auch von manchen betreuenden Ärzten geäußert, wurde doch ärztlicherseits über viele Jahre von gelenkbelastender sportlicher Aktivität abgeraten.
Sport reduziert die Krankheitsaktivität
Zwischenzeitlich gibt es jedoch umfassende Evidenz für einen nicht zu vernachlässigenden Benefit angemessener sportlicher Betätigung auf die Krankheitsaktivität bei entzündlich-rheumatischen Erkrankungen. In den letzten Jahren wird dieses Thema immer häufiger auch auf Fachkongressen aufgegriffen. Körperliche Aktivität führt u. a. zur Bildung von sogenannten Myokinen, d. h. Zytokinen, die von Muskeln sekretiert werden und antientzündliche Botenstoffe freisetzen. Hierdurch wird die Krankheitsaktivität positiv beeinflusst. Inaktivität hingegen begünstigt die Entwicklung einer entzündlichen Gelenkhaut (Synovium) und die Akkumulation von viszeralem Fett, das wiederum zur Makrophageninfiltration und letztendlich zur chronisch-systemischen Entzündung beiträgt (4). 2018 hat die European League against Rheumatism (EULAR) erstmalig Empfehlungen zur körperlichen Aktivität bei entzündlichen Arthritiden und Arthrose herausgegeben. Diese entsprechen in Dauer und Intensität den generellen WHO-Empfehlungen.
Voraussetzung für die Aufnahme einer angemessenen sportlichen Betätigung von „Rheumatikern“ ist eine Remission (Krankheitsstillstand) bzw. möglichst geringe entzündliche Aktivität der Grunderkrankung. In einem akuten Krankheitsschub sollten die körperlichen Aktivitäten generell reduziert, aber nicht komplett aufgegeben werden.Training von Kraft, Ausdauer, Koordination und Propriozeption (Eigenempfindung) gehören zu den Standbeinen der rheumatologischen Rehabilitation und eignen sich auch zur Erlangung der individuellen Aktivitätsziele im Alltag. Zu den besonders empfehlenswerten Sportarten zählen solche mit langsamen Bewegungsabläufen, bei denen die Gelenke schonend bewegt und die Muskulatur gestärkt wird (z. B. Schwimmen, Radfahren, Yoga, Thai Chi u. a). Die Grundregel: Es muss Spaß machen! Bewegungsformen und Sportarten, bei denen man mit Freude bei der Sache ist, motivieren dazu, gerne und regelmäßig zu trainieren. Die Kontinuität der sportlichen Betätigung ist wichtiger als die Sportart an sich. Um die Patienten zu einem erneuten sportlichen Einstieg zu motivieren, kann ein betreutes Gerätetraining in einer physiotherapeutischen Einrichtung wie z. B. in der „Reha in ATOS“ zielführend sein und Unsicherheiten abbauen.Für Patienten mit rheumatoider Arthritis gibt es ein speziell entwickeltes Funktionstraining, das von der Deutschen Rheumaliga in verschiedenen Städten – auch in Heidelberg – angeboten wird. Ein- bis zweimal pro Woche können geeignete Übungen unter Anleitung erfahrener Physiotherapeuten durchgeführt werden (weitere Informationen: https://www.rheuma-liga.de/angebote/funktionstraining). Nicht zu vernachlässigen sind hierbei auch die psychosozialen Effekte der sportlichen Betätigung im Gruppentraining.
Fazit
Regelmäßige sportliche Aktivitäten stellen gegenwärtig neben der Pharmakotherapie eine wichtige Säule der modernen, umfassenden Behandlung von Patienten mit entzündlich-rheumatischen muskuloskelettalen Erkrankungen dar. Ihnen sollte im Arzt-Patienten-Gespräch ausreichend Zeit eingeräumt werden, um Unsicherheiten auszuräumen, vom bestehenden Image der „Seniorenwassergymnastik“ wegzukommen und auch die jungen „Rheumatiker“ darin zu bestärken, ihre sportlichen Ambitionen gegebenen falls zu modifizieren, aber auf keinen Fall aufzugeben. Auch bzw. gerade für sie gilt: Sport ist eines der wirkungs-vollsten und sichersten „Medikamente“.