Mai 2020 – Ausgabe 35

Sportverletzungen des Ellenbogens – aktuelle Behandlungskonzepte und Return to play

Schnetzke

Prof. Dr. med. Marc Schnetzke
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Dr. med. Sven Lichtenberg
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Prof. Dr. med. Markus Loew
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Keywords: Ellenbogenluxation, Radiuskopffraktur, Epikondylopathie, chronische mediale Instabilität, Sportfähigkeit

Akuten Ellenbogenverletzungen (z.B. Ellenbogenluxation und Radiuskopffraktur) stehen die chronischen Überlastungsschäden wie beispielsweise der Tennisellenbogen und die chronischen Instabilitäten gegenüber. Durch gezielte konservative oder operative Maßnahmen kann die Sportfähigkeit in den meisten Fällen wiedererlangt werden. Einschränkungen für die Sportfähigkeit bestehen meist bei Patienten mit Teil- oder Totalendoprothesen des Ellenbogengelenkes.

Die Kenntnis der komplexen Anatomie und der Biomechanik sind grundlegend für das Verständnis von sportassoziierten Verletzungen des Ellenbogengelenkes. Im Gegensatz zur Schulter besitzt das Ellenbogengelenk aufgrund seines anatomischen Aufbaus eine inhärente Stabilität. Die Stabilität des Ellenbogens wird durch die enge Kongruenz der Gelenkflächen, der Gelenkkapsel und vom umgebenden muskulären Komplex gewährleistet. Das Ellenbogengelenk ist wie das Kniegelenk ein Drehscharniergelenk, ein sog. Trochoginglymus und besitzt mit Pronation/Supination und Flexion /Extension zwei Freiheitsgrade.

Das Gelenk setzt sich aus drei Teilgelenken zusammen: dem Humero-Ulnar-Gelenk, dem Humero-Radial-Gelenk und dem proximalen Radio-Ulnar-Gelenk. Die Bewegungsumfänge des gesunden Ellenbogens betragen nach der Neu tral-Null-Methode 0-0-140° in Extension/Flexion und 75-0-85° in Pronation/Supination.Geschlechtsspezifische Abweichungen von bis zu 10° aufgrund unterschiedlicher Muskelausbildung und Bandlaxitäten sind physiologisch. Die Stabilität des Ellenbogens wird durch statische und dynamische Komponentengewährleistet. Die primären statischen Stabilisatoren gegen Varus- und Valgusstress sind der laterale Kollateralbandkomplex (LCLC) und das mediale Kollateralband (MCL). Die dynamischen Stabilisatoren werden gebildet von zwei Muskelgruppen – den Unterarmextensoren und den Unterarmflexoren. Eine Verletzung einer der oben genannten Strukturen kann zu erheblichen Einschränkungen der Alltags- und Sportfähigkeit führen. In Folge chronischer Belastungen (z. B. beim Tennis, Golf, Wurf- oder Überkopfsportler) kann es zu einer Schädigung im Bereich des sehnigen Ansatzes der Unterarmstrecker am Epicondylus lateralis oder der Unterarm beuger am Epicondylus medialis kommen, im Volksmund auch als Tennis- oder Golferellen-bogen bekannt. Beim klassischen Werferellenbogen kann es durch die wiederholte Valgusbelastungen zu einer Schädigung des tiefer gelegenen Bandapparates, dem MCL kommen und in der Folge zu einer chronischen Instabilität des Ellenbogens. Im Gegensatz zu den Überlastungsreaktionen gehen die traumatischen Verletzungen des Ellenbogens, z.   B. Ellenbogenluxation oder Radiuskopffraktur durch eine Destabilisierung der knöchernen und ligamentären Strukturen, mit einer akuten Instabilität und Funktionseinschränkung einher.

Akute Verletzungen: Ellenbogenluxation

Der Ellenbogen ist das am häufigsten luxierende Gelenk in der Pädiatrie und das am zweithäufigsten luxierende große Gelenk des erwachsenen Menschen nach dem Schultergelenk. Ellenbogenluxationen stellen ca. 11-28% aller Ellenbogenverletzungen dar und haben eine Inzidenz von 6-13 pro 100.000 Einwohner pro Jahr (1). Männer sind von der traumatischen Ellenbogenluxation häufiger betroffen als Frauen, und insbesondere bei jungen Männern stellt Sport dabei mit bis zu 50 % die häufigste Unfallursache dar. Dabei ist überwiegend die nicht-dominante Seite betroffen. Bei einem rein weichteiligen Verletzungsmuster spricht man von der sogenannten einfachen oder ligamentären Ellenbogenluxation. Bei mehr als einem Drittel aller Patienten mit Ellenbogenluxation werden assoziierte Frakturen, am häufigsten des Radiuskopfes, des Koronoids und des Capitulum humeri beobachtet. Luxationen mit begleitenden knöchernen Verletzungen im Bereich des Ellenbogengelenkes werden als komplexe Luxationen bezeichnet. In einer aktuellen Studie haben Hassebrock et al. die Häufigkeit von Ellenbogenluxationen in Abhängigkeit der ausgeübten Sportart untersucht (2): Ringer hatten dabei die höchste Inzidenz (1,08/10.000 Sportler) gefolgt von Turnern (0,74/10.000 Sportler), Fußballspielern (0,11/10.000 Sportler) und Volleyballspielern (0,06/10.000 Sportler).

Therapie der Ellenbogenluxation

Als Therapiestandard in der Behandlung der einfachen Ellenbogenluxation ist die kurzzeitige Ruhigstellung des Gelenks mit anschließender funktioneller Nachbehandlung derzeit am weitesten verbreitet. Eine konservative Therapie bei einfachen Ellenbogenluxationen ist nach unserer Erfahrung dann sinnvoll, wenn im funktionellen Bogen zwischen 130°- und 30°-Beugung keine Tendenz zur Reluxation besteht und in der Stabilitätsprüfung unter Durchleuchtung keine ausgeprägte Varus- oder Valgusinstabilität nachzuweisen ist (3). Spätestens nach einer Woche sollte eine klinische und bildgebende Kontrolluntersuchung bezüglich der Stabilität und Beweglichkeit des Ellenbogengelenkes erfolgen. Erscheint die Artikulation im Ellenbogengelenk regelrecht und besteht bereits ein gutes aktives Bewegungsausmaß, kann eine Ellenbogengelenkorthese angelegt werden. Hieraus erfolgt dann die aktive Beübung ohne Bewegungs-  einschränkung unter physiotherapeutischer Anleitung für insgesamt 6 Wochen. Eine Ruhigstellung über 2 Wochen hinaus sollte zur Vermeidung einer posttraumatischen Arthrofibrose unbedingt vermieden werden. Die Indikation zur primären Bandrekonstruktion ist gegeben, wenn nach geschlossener Reposition eine höhergradige Instabilität verbleibt (4). Nach Literaturangaben ist die Sportfähigkeit nach einfacher Ellenbogenluxation und konservativer Therapie bereits 30 Tage nach Verletzung gegeben (5). Zu komplexen Luxationen liegen keine Daten zur Sportfähigkeit vor. Die Sportfähigkeit nach einer komplexen Luxation hängt im Wesentlichen von den begleitenden knöchernen Verletzungen ab.

Akute Verletzungen: Radiuskopffraktur

Die Frakturen des Radiuskopfes machen etwa ein Drittel der Ellenbogenfrakturen und zwischen 1,7 %-5,4 % aller Frakturen aus. Die häufigste Ursache für Frakturen des Radiuskopfes sind Stürze auf das ausgestreckte Ellenbogen- und Handgelenk. Im klinischen Alltag hat sich für die Einteilung der Radiuskopffraktur die Klassifikation nach Mason bewährt.

Typ-I Frakturen werden üblicherweise konservativ therapiert mittels einer kurzfristigen Ruhigstellung im Oberarmgips und anschließender funktioneller Nachbehandlung aus der Gipsschiene heraus.

Typ-II-Frakturen werden übungsstabil osteosynthetisch versorgt. Ist bei höhergradigen Frakturen (Typ III und IV) eine anatomische und stabile Osteosynthese nicht möglich, wird abhängig von begleitenden ligamentären Verletzungen entweder eine Radiuskopfresektion oder Radiuskopfprothese als Therapie empfohlen (Details hierzu siehe Artikel in der Ausgabe 34 der ATOS News: „Die Radiuskopfprothese beim Trauma – mehr als nur ein Platzhalter?“).

Sportfähigkeit nach Radiuskopffraktur

Zur Sportfähigkeit nach Radiuskopffraktur haben Guzzini et al. 52 Patienten mit einer Mason Typ II Fraktur nachuntersucht (6). Alle Patienten kehrten nach 48 Tagen wieder auf ihr prätraumatisches Sportniveau zurück.

Informationen zur Sportfähigkeit nach Radiuskopfprothese waren bislang sehr rar. In einer eigenen Studie haben wir die Sportfähigkeit nach Radiuskopfprothese ausgewertet und im vergangenen Jahr veröffentlicht (7): Von insgesamt 57 nach-untersuchten Patienten haben nur 30 Patienten (53 %) die Sportfähigkeit wieder erlangt, wobei die Sportfrequenz und das Sportlevel nach der Operation signifikant reduziert waren. Von den 30 Patienten, die zum Sport zurückkehrten, reduzierten 11 (37 %) ihre Sportfrequenz und 5 (17 %) wechselten zu weniger anspruchsvollen sportlichen Aktivitäten. Zur Sportfähigkeit nach Implantation einer Ellenbogen-totalendoprothese liegen keine Daten in der Literatur vor. Grundsätzlich ist anzumerken, dass die Ellenbogentotalendoprothese heutzutage als „Salvage-Procedure“ bei komplexen Gelenkfrakturen oder posttraumatischen Folgezuständen beim älteren Patienten anzusehen ist. Für die Ellenbogentotalendoprothese gilt ein Belastungslimit von maximal 5 Kilogramm, um eine frühzeitige Lockerung der Komponenten zu vermeiden. Somit verbieten sich die meisten Sportarten, und davon wird in der Regel auch durch den behandelnden Arzt abgeraten.

Chronische Verletzungen: Laterale und mediale Epikondylopathie

Die laterale und mediale Epikondylopathie ist in der Regel belastungsassoziiert und betrifft daher auch sehr häufig Sportler, die wiederholte Bewegungen ausüben, die zu einer Überlastung der Unterarmextensoren (laterale Epikondylopathie) oder Unterarmflexoren (mediale Epikondylopathie) führen. Assoziierte Sportarten sind z. B. Golf, Tennis, Squash, Bowling, Bogenschießen und Gewichtheben. Auch berufliche Tätigkeiten, wie z. B. in der Fleischverarbeitung, beim Schreiner oder beim Klempner, weisen eine repetitive Unterarm-, Handgelenks- und Handbeanspruchung auf und sind somit anfällig für eine Epikondylopathie am Ellenbogen. Infolge der dauerhaften (Über-)Belastung entstehen Mikroeinrisse im Ansatzbereich der Sehnen. Aufgrund einer schlechten lokalen Durchblutung und damit einer fehlenden Regeneration des Sehnengewebes kommt es zu einer fortschreitenden Sehnendegeneration (sog. Epikondylopathie). Im schlimmsten Fall kann es zu einem partiellen oder vollständigen Abriss der Sehne vom Epikondylus kommen. In der Anamnese werden zuerst mögliche Auslöser für die Sehnenschädigung identifiziert und, sofern möglich, abgeschaltet, z. B. durch eine Optimierung der Technik und des Bewegungsablaufes beim Tennis- oder Golfspielen oder durch eine Anpassung der technischen Ausrüstung (z. B. Wechsel auf einen anderen Tennisschläger oder eine andere Besaitung).

Therapie der Epikondylopathie

Neben der Vermeidung der Noxe besteht die primäre Behandlung der Epikondylopathie in einer konservativen Therapie. Als physiotherapeutische Maßnahmen werden Dehn- und Kräftigungsübungen (exzentrisches Dehnen in Anlehnung an die Therapie der Non-Insertionstendopathie der Achillessehne) empfohlen, häufig in Kombination mit physikalischen Anwendungen, wie z. B. lokaler Ultraschallbehandlung, Elektrotherapie und Querfriktion nach Cyriax. Die Infiltration von Kortison ist immer noch weit verbreitet und hat häufig einen guten schmerzstillenden Effekt in den ersten Wochen.

Allerdings sollten Kortikoide zur Behandlung von Epikondylopathien sehr zurückhaltend eingesetzt werden. In mehreren Studien konnte gezeigt werden, dass Kortikoide langfristig keinen oder weniger Effekt haben als Plazebo und Physiotherapie (8). Im schlimmsten Fall schädigen die wiederholten Infiltrationen das Sehnengewebe, und es kann dadurch zur Ruptur der Extensoren und des lateralen Seitenbandkomplexes kommen. Als sinnvolle Alternative zur Kortisoninfiltration hat sich in den vergangenen Jahren die Anwendung von Eigenblut (z. B. ACP = Autologes Conditioniertes Plasma) etabliert. In einer prospektiven, doppel- blinden Vergleichsstudie konnten Mishra et al. nachweisen, dass ACP im Vergleich zur Plazebogruppe eine signifikante Verbesserung hinsichtlich der Schmerzreduktion erzielen konnte (9). Nebenwirkungen in Folge der Anwendung von ACP sind bislang nicht bekannt. Bei frustraner konservativer Therapie über mindestens 6 Monate und/oder einer nachgewiesenen Sehnenschädigung ist eine operative Therapie indiziert. Im eigenen Vorgehen führen wir vorab eine diagnostische Arthroskopie des Ellenbogens zum Ausschluss von Begleitläsionen (z. B. Plica humeroradialis, Instabi   lität) durch. Anschließend wird das geschädigte Sehnengewebe über einen kleinen Schnitt über dem Epikondylus unter Schonung des Kapsel-Band-Apparates abgelöst und eine Denervierung am Epikondylus durchgeführt (entspricht dem Prinzip der OP nach Hohmann/Wilhelm). Abschließend wird das abgelöste Sehnengewebe mit einem Fadenanker oder transossär refixiert. Dies dient zum Schutz der Sehneneinheilung und verhindert Einheilungsstörungen sowie den Verlust der aktiven Stabilisatorenfunktion. Nach der operativen Therapie sind leichte Tätigkeiten nach 8–12 Wochen erlaubt und die volle Sportfähigkeit nach 3 Monaten.

Chronische Verletzungen: Chronische mediale Instabilität

Bei Wurfsportarten ist das mediale Kollateralband (sog. MCL) infolge der repetitiven Wurfbewegungen starken Valguskräften ausgesetzt und kann dabei geschädigt werden. Der Verletzungsmechanismus kann am deutlichsten beim Baseballpitcher nachvollzogen werden: eine kraftvolle Extensionsbewegung kombiniert mit Valgusstress und Pronation des supinierten Unterarms. Wiederholte Mikrotraumata können zu einer chronischen Schädigung des MCL mit nachfolgender Bandinsuffizienz führen. Die konservative Therapie der chronischen medialen Bandinsuffizienz ist bei Sportlern meist nicht Erfolg versprechend. Rettig et al. berichteten, dass mit der konservativen Therapie 13 von 31 Werfern – dies entspricht 42 % – ihr ursprüngliches Sportniveau wieder erreichen konnten (10). Die geringe Return-to-Play-Rate nach konservativer Therapie führte zum Versuch, die Rate mittels operativer Therapie zu verbessern. Heutzutage hat sich die mediale Bandplastik mit autologem Sehnentransplantat als Standard zur Behandlung der chronischen medialen Instabilität etabliert. Die erste erfolgreiche Bandplastik mit Return-to-Play wurde 1974 von Frank W. Jobe bei dem Profi-Baseballspieler Thommy John durchgeführt (11). Die Operation wird daher auch Thommy-John-Operation genannt. In der heute durchgeführten Technik der medialen Bandplastik können gute bis exzellente Ergebnisse mit einer Return-to-Play-Rate von bis zu 97 % erzielt werden.

Fazit

Die Zusammenfassung der klinischen Studien lässt den Schluss zu: Das Ellenbogengelenk ist anfällig für akute Verletzungen, wie z. B. Luxationen des Ellenbogens bei Kontaktsportarten, sowie anfällig für Überlastungs-schäden bei Wurf- und Überkopfsportlern. Durch eine gezielte konservative oder operative Therapie kann die Sportfähigkeit bei den meisten Patienten wiedererlangt werden. Die Sportfähigkeit nach Implantation einer Radiuskopfprothese ist jedoch eingeschränkt, zur Sportfähigkeit nach Ellenbogentotalendoprothese liegen bis lang keine Daten vor. Aufgrund des Belastungslimits von maximal 5 kg wird von sportlicher Tätigkeit mit einer Ellenbogentotalendoprothese eher abgeraten.