Mai 2020 – Ausgabe 35

Sport mit Teilgelenkersatz am Knie

Prof. Dr. med. Christoph Becher

Prof. Dr. med. Christoph Becher
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Keywords: Unikondyläre Knieprothese, patellofemoraler Ersatz, Hemicap, Unicap, Sportfähigkeit

Die Arthrose des Kniegelenkes betrifft in einigen Fällen nur eines der drei Kompartimente. Am häufigsten sind der innere Anteil des Knies (mediales tibiofemorales Kompartiment) und der Bereich hinter der Kniescheibe (patellofemorales Kompartiment) betroffen. Um möglichst gelenkerhaltend vorzugehen, hat sich der isolierte endoprothetische Ersatz mit einer Teilprothese (z.B. einer Schlittenprothese) etabliert.

Durch den Einsatz einer Teilprothese bleiben die gesunden Bereiche des Knies intakt. Der noch gesunde Knorpel, Knochen und die erhaltenen Bänder (z.B. Kreuzbänder) des Patienten erfüllen weiterhin ihre Funktion. Weitere Vorteile sind das kleinere Operationstrauma mit dadurch möglicher schnellerer Rehabilitation und besserer Mobilität sowie Funktion im Vergleich zum Einsatz einer Vollprothese. Mit einer Teilprothese fühlt sich auch die Bewegungssteuerung und die Koordination für die Patienten natürlicher an.Die typisch verwendeten Teilprothesen sind der unikondyläre tibiofemorale Ersatz (Schlittenprothese, Abb. 1), der patellofemorale Ersatz  und die isolierte Defektversorgung durch ein Mini-Implantat z. B. HemiCAP bzw. UniCAP. Grundsätzlich gilt: Je mehr Implantat eingebracht wurde und je größer die ersetzte Fläche ist, umso stärker kann die sportliche Belastungsfähigkeit eingeschränkt sein.Viele Patienten (knapp ein Drittel der Betroffenen) sind jünger als 65 Jahre und somit im aktiven und sportlichen Leben (1). Sport- und Freizeitaktivität haben bezüglich der Erwartungen der Patienten neben der Schmerzverbesserung und derGehfähigkeit eine hohe Bedeutung. Patienten, welche eine Teilprothese bekommen, können nach Implantation häufiger wieder die gewünschten Sportarten ausüben als Patienten, welche eine Vollprothese erhielten (2). Dem steht gegenüber, dass die Revisionsraten nach Verwendung einer Teilprothese höher sind. So betrug im britischen Endoprothesenregister die „Implantatüberlebensrate“ nach Implantation einer Schlittenprothese im Jahr 2015 nach 8 Jahren nur 88 % (3). Zudem haben jüngere Patienten unter 55 Jahren deutlich höhere Revisionsraten als ältere Patienten > 70 Jahren, was an der höheren Aktivität der jüngeren Altersgruppe liegen könnte. Da der mit Abstand bedeutsamste Risikofaktor für eine Unzufriedenheit mit der endoprothetischen Versorgung die nicht erfüllten Erwartungen des Patienten sind (4), ist es besonders wichtig, auf sinnvolle Aktivitäten hinzuweisen.

Grundsätzliche Punkte für die Wahl einer Teilprothese

Wie bei vielen Dingen im Leben ist eine gute Vorbereitung ein wichtiger Faktor für das Gelingen einer Operation. Dies beginnt mit der Indikationsstellung durch den orthopädischen Chirurgen in der Sprechstunde. Folgende Fragen sollten dem Patienten gestellt werden:

  • Wie ist das Schmerzniveau? (Ruheschmerz, Belastungsschmerz im Alltag, berufliche Belastung und Schmerz bei der Berufsausübung, Belastungsschmerz beim Sport – bei welcher Sportart?)
  • Ist die Einnahme von Schmerzmitteln notwendig? (Menge, Situations-abhängigkeit)
  • Wie ist die Erwartungshaltung? Schmerzfreiheit, Schmerzlinderung, Aktivitätssteigerung, sportliche Belastbarkeit?).

Die Voraussetzungen zur Verwendung einer Teilprothese müssen durch die klinische und bildgebende Untersuchung durch den Arzt überprüft werden:

  • Klinische Untersuchung mit Prüfung der Beweglichkeit und Stabilität (noch voll beweglich, Einschränkungen in Streckung und Beugung, Achsabweichungen, stabile oder instabile Bänder?)
  • Aktivitätsgrad der Arthrose (Schwellung, Überwärmung, Berührungsempfindlichkeit des Knies?)
  • Bildgebende Untersuchung mit Röntgenaufnahmen des Knies unter Belastung und Darstellung des gesamten Beines mit Feststellung der Ausprägung der Arthrose und Ausdehnung in den drei Kniekompartimenten
  • Optional MRT (Magnetresonanztomographie) zur exakten Darstellung der Knorpelschäden und der Bandstrukturen  (s.o.).

Prinzipiell gilt, dass bei Verwendung einer Teilprothese die nicht ersetzten Gelenkbereiche möglichst intakt sein sollten, eine nicht oder nur geringe Beweglichkeitseinschränkung vorliegt und der Bandapparat weitgehend stabil ist. Ausgehend davon müssen in einem Gespräch die optionalen Therapieformen und die Erwartungen des Patienten ausführlich besprochen werden. Häufig sind konservative Maßnahmen zunächst ausreichend, um die Erwartungen des Patienten zu erfüllen, und sollten dann entsprechend auch zuerst angewendet werden.Wenn die Entscheidung zur Implantation einer Teilprothese getroffen wurde, dann gilt es für den orthopädischen Chirurgen, den Patienten vorzubereiten. Dem Patienten sollte bewusst sein, dass die Rehabilitationsphase in der Regel einfacher und schneller verläuft, wenn die gelenkumgebende Muskulatur flexibel und gekräftigt ist. Das bedeutet, dass auch dann, wenn die gewünschte Sportart nicht mehr durchführbar ist, vor dem Eingriff spezifische Übungen zur Muskelkräftigung und Muskeldehnbarkeit erfolgen sollten.

Der Operateur muss als Voraussetzung für die sportliche Betätigung nach dem Eingriff und für eine möglichst schnelle Rehabilitation eine schonende Operationstechnik verwenden. Ein optimaler Sitz des Implantates mit guter knöcherner Integration ist essenziell.Nach dem operativen Eingriff gilt es die Beweglichkeit und die muskuläre Kontrolle im Rahmen der Rehabilitation wiederherzustellen. Als grobes Ziel für die Wiederherstellung der allgemeinen Alltagsaktivitäten gilt dabei ein Zeitraum von 3 Monaten. Innerhalb dieses Zeitraumes sind sportliche Aktivitäten wie Fahrradfahren (zunächst Ergometer) und Muskeltraining gefordert und erwünscht. Es gilt zu beachten, dass es in der Regel 6 Monate dauert, bis wieder eine gute muskuläre Koordination und damit volle sportliche Belastungsfähigkeit erreicht wird.

Sport mit einer Teilprothese

Im Rahmen der Kontrolluntersuchungen sollten die möglichen Belastungen des Knies in Abhängigkeit vom Rehabilitationsverlauf abgestimmt werden. Grundsätzliche Voraussetzungen sind ein möglichst reizfreies Gelenk ohne wesent licher Schwellneigung, eine freie Beweglichkeit und ein stabiler Bandapparat. Sogenannte Low-Impact-Sportarten wie Fahrradfahren, Schwimmen und Wandern sind grundsätzlich zu empfehlen. Sport arten mit häufigen Sprüngen, Sprints mit schnellen Richtungswechseln und Abstoppbewegungen sowie Körperkontakt im Rahmen von Zweikämpfen sind dagegen kritisch zu sehen. Auch das Joggen gehört aufgrund der dauernden Stoßbelastung nicht zu den empfehlenswerten Sportarten. Dies gilt insbesondere für Patienten mit einer Schlittenprothese. Trotzdem ist unter Anpassung der Intensität vieles möglich und muss individuell beurteilt und entschieden werden. Bei Wiederaufnahme spezifischer Sportarten ist eine gezielte Vorbereitung notwendig. Die Erfahrung des Sportlers spielt dabei eine wichtige Rolle. Zum Beispiel stellt die Wiederaufnahme des Skifahrens, evtl. mit Anpassungen der Technik, für den erfahrenen Skifahrer nach Implantation einer Teilprothese in der Regel kein Problem dar. Das Skifahren neu zu erlernen, wäre aber nicht zu empfehlen. Zudem sollte der Anspruch an die Intensität und den Schwierigkeitsgrad (z. B. Buckelpisten, Sprünge, Fahrten abseits der Piste im Gelände etc.) reduziert werden. Pausen sollten ggf. häufiger eingeplant werden.

Fazit

Sport mit einer Teilprothese ist gut möglich. Die Intensität und Art der Ausübung mit evtl. technischenAnpassungen ist allerdings häufig erforderlich. Die Implantate können durch Abrieb verschleißen und letztendlich nach einer allerdings schwer zu prognostizierenden Zeitspanne auch nicht mehr funktionsfähig sein.

Zudem gilt es zu beachten, dass auch die nicht betroffenen Gelenkanteile einer fortschreitenden Schädigung mit Progress der Arthrose unterliegen können. Die korrekte Indikationsstellung und Durchführung des Eingriffes durch den orthopädischen Chirurgen, die Aufklärung des Patienten über die Pathologie und den operativen Eingriff sowie die gemeinsame Einordnung der Erwartungshaltung werden letztendlich über die sportliche Belastungsfähigkeit und die Zufriedenheit des Patienten entscheiden.